Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 15 WEG, § 1004 BGB, § 906 BGB
Kommentar
Zu einer nicht seltenen Konfliktsituation zwischen Wohnungseigentums- und Mietrecht ist nunmehr - wohl eine erste - landgerichtliche Entscheidung ergangen, die einem gestörten Eigentümer direkte Unterlassungsansprüche gegen den Mieter eines Miteigentümers zugesprochen hat.
Über Zwischenvermietung in einer im Bauherrenmodell konzipierten Eigentumswohnanlage wurde eine Teileigentumseinheit im Erdgeschoss - in Teilungserklärung und Aufteilungsplan als "Praxisräume" beschrieben - an einen Endmieter vermietet zum Zweck des Betriebs eines "Ballett- und Tanzstudios". Nach vermieterseits genehmigten Umbauarbeiten (Installation von Duschen usw.) fanden in den Räumen bis in die frühen Abendstunden Tanzveranstaltungen mit Musik statt, ebenso an Samstagen.
Der durch Lärm gestörte Miteigentümer der über dem Studio gelegenen Eigentumswohnung erwirkte vor dem Wohnungseigentumsgericht (AG München) einen rechtskräftigen Titel, der es dem Bauherren-Miteigentümer (und Zwischenvermieter) verbot, bei Meidung einer hohen Beugestrafe die Räumlichkeiten weiter als Ballettstudio zu nutzen bzw. nutzen zu lassen. Weiterhin wurde er verpflichtet, bestimmte bauliche Veränderungen wieder zu beseitigen und den alten Zustand herzustellen.
Später klagte der gestörte Eigentümer vor dem LG München I (ordentl. Zivilgericht) direkt gegen die Inhaberin des Ballettstudios (die Endmieterin) auf Nutzungsunterlassung. Die beklagte Endmieterin wurde durch Endurteil unter Androhung eines hohen Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, verurteilt, für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Nutzung der angemieteten Räumlichkeiten als Ballett- bzw. Tanzstudio zu unterlassen. In den Entscheidungsgründen bezog sich das Gericht auf die Zweckbestimmung der Räumlichkeiten in Teilungserklärung und Aufteilungsplan (als "Praxisräume") und den wohnungseigentumsgerichtlichen Beschluss.
Durch die Nutzungsart werde das Eigentumsrecht des gestörten Eigentümers in unzulässiger Weise beeinträchtigt, da Praxisräume weniger zeit- und lärmintensiv genutzt würden. Die einschränkende Nutzungsregelung müsse sich die beklagte Endmieterin in gleicher Weise entgegenhalten lassen wie der vermietende Eigentümer, wenn er die Räumlichkeiten selbst nutzen würde (Münchener Kommentar zum BGB, 1981, § 13 WEG, Rz. 3).
Die Zweckbestimmung sei durch Eintragung im Grundbuch zum Inhalt des Sondereigentums geworden und habe dingliche Wirkung auch gegenüber Dritten entfaltet (BGH, NJW 1979, 548/549). Die mietvertraglich gestattete Nutzung habe gegenüber dem gestörten Eigentümer keine bindende Wirkung entfaltet. Die Mieterin könne allein gegen den Vermieter schadensausgleichenden Regress nehmen. Aus diesem Grund sei der Unterlassungsanspruch des klagenden Eigentümers nach §§ 1004, 906 BGB begründet (Musik- und Tanzgeräusche).
Das klägerische Recht sei auch nicht gemäß § 242 BGB verwirkt.
Link zur Entscheidung
( LG München I, Urteil vom 03.07.1987, 10 O 118/87; nach Berufungsrücknahme beim OLG München rechtskräftig)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Diese Entscheidung verstärkt den Schutz gegen eine zweckwidrige Sondereigentums-Nutzung gestörter Eigentümer, die bisher wohnungseigentumsgerichtliche Entscheidungen oftmals nicht erfolgreich vollstrecken konnten (Beugestrafen), wenn - wie nicht selten - langfristige Mietverträge mit zweckwidriger Nutzung vermieterseits vereinbart wurden. Sie ist wohl die erste zivilgerichtliche Entscheidung, die einen direkten Anspruch eines Eigentümers gegen den Mieter eines anderen Miteigentümers auf gänzliche Nutzungsunterlassung bestätigt. Diverse wohnungseigentumsgerichtliche Entscheidungen befassten sich in der Vergangenheit z. B. auch mit zweckwidriger Nutzung eines Teileigentums, in Teilungserklärung und Aufteilungsplan als "Laden" beschrieben (z.B. bei Vermietung eines solchen Ladens als Restaurant mit Öffnungszeiten bis tief in die Nacht hinein). Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des BayObLG vom 11. 12. 1986 (WE 3/87, 97); diese Entscheidung wurde in der genannten Zeitschrift (WE) mit einer Anmerkung von Prof. Weitnauer versehen; er kam zu gleicher Ansicht wie nunmehr das LG München I (ebenso im Ergebnis, allerdings mit anderer Begründung - § 306 BGB analog - Blank in FWW 1986, S. 175 und 204).
[Diese Rechtsmeinung wurde in Folgeentscheidungen bestätigt und entspricht heute h.R.M.]