Leitsatz
Die Klägerin ist Darlehensgeberin der B. GmbH & Co. KG. Diese ist ihrer Verpflichtung zur Darlehensrückzahlung in Raten nicht nachgekommen. Daraufhin hat die Klägerin den Beklagten gem. §§ 128, 161 Abs. 2, 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB persönlich auf Zahlung der ausstehenden Rate in Anspruch genommen. Bei dem Beklagten handelt es sich um einen Kommanditisten der B. GmbH & Co. KG. Dieser hatte seine Einlage zunächst geleistet. Später wurde ihm aber ein Agio in Höhe von 16.207,95 EUR (31.700 DM) zurückgezahlt, wodurch der Stand seines Kapitalkontos unter den Betrag seiner Haftungssumme sank.
Zur Befriedigung ihres Anspruchs hätte die Klägerin - anstatt der Inanspruchnahme des Kommanditisten aus § 171 HGB - auch die Möglichkeit gehabt, die von einem Teil der Kommanditisten im Rahmen der Kapitalerhöhung vom 30.8.1999 gewährten Bürgschaften zu ziehen.
Das zuständige OLG hat der Klage stattgegeben. Zuvor hatte ein anderes OLG aufgrund einer vergleichbaren Forderung den identischen Sachverhalt zu beurteilen, die dortige Klage wegen Rechtsmissbrauchs abgelehnt und somit den gegenteiligen Standpunkt zu dem hier zuständigen OLG vertreten.
Der BGH entschied nun, dass dies die Zulassung der Revision nicht begründen könne. Denn selbst wenn zwei Gerichte den identischen Sachverhalt unterschiedlich beurteilten, begründe das für sich allein genommen noch keine Divergenz im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Voraussetzung für eine Divergenz - und einer damit einhergehenden Zulassung der Revision - seien sich widersprechende abstrakte Rechtssätze.
Hinweis
Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist die Revision zuzulassen, wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn eine Divergenz in Rechtsfragen oder ein Rechtsfehler mit symptomatischer Bedeutung vorliegt (BGH WM 2003, 2278). Daher können unterschiedliche Ergebnisse zweier Berufungsurteile für sich allein die Zulassung der Revision selbst dann nicht rechtfertigen, wenn beiden Urteilen der identische Sachverhalt zu Grunde liegt, da die Rechtsprechung im Ganzen berührt sein muss, und Einzelfallentscheidungen nicht unter die Vorschrift des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO fallen. Eine Divergenz in diesem Sinne liegt nur dann vor, wenn den Entscheidungen sich widersprechende abstrakte Rechtssätze zu Grunde liegen (BGH WM 2003, 2278).
Das war vorliegend nicht der Fall, da die gegenteiligen Urteile auf der Würdigung des jeweils vorgetragenen Sachverhalts in tatsächlicher Hinsicht beruhten. Dabei bedarf die Frage, ob der Tatrichter auf Grundlage des Sachverhalts ein sittenwidriges Verhalten einer Partei annimmt, grundsätzlich seiner abschließenden Beurteilung und ist in der Revision nur eingeschränkt überprüfbar.
Vorliegend ergab sich die persönliche Haftung des Kommanditisten für die Darlehensschuld der Klägerin gegenüber der Kommanditgesellschaft aus den §§ 128, 161 Abs. 2, 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 Satz 1. HGB. Danach konnte der Beklagte persönlich auf Zahlung seiner Einlage in Anspruch genommen werden. Aufgrund der Regelung des § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB ist es in Höhe des eingeklagten Betrages unerheblich, dass der Beklagte seine Einlage ursprünglich geleistet hatte, da ihm diese zwischenzeitlich in der eingeklagten Höhe zurückbezahlt wurde.
Die Klage ist auch nicht wegen Verstoßes gegen das Schikaneverbot nach § 226 BGB oder wegen unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB unbegründet. Denn davon ist nur dann auszugehen, wenn die Geltendmachung des Rechts keinen anderen Zweck als die Schädigung des Beklagten haben könnte (RGZ 68, 424, 425), der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse der Klägerin zu Grunde liegt (BGHZ 29, 113, 117 f.) oder wenn das Recht nur geltend gemacht wurde, um ein anderes, vertragsfremdes oder unlauteres Ziel zu erreichen (BGHZ 107, 296, 310 f.). Dabei hat der BGH nicht unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin auch die Möglichkeit gehabt hätte, aus den Bürgschaften vorzugehen und eine Inanspruchnahme des Beklagten für ihre Befriedigung daher nicht notwendig gewesen wäre. Ausschlaggebend für die Inanspruchnahme des Beklagten mag auch das Näheverhältnis der Klägerin zu einem anderen Gesellschafter gewesen sein. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass die Klage einzig der Schädigung des Beklagten diente, kein schutzwürdiges Eigeninteresse der Klägerin ersichtlich war oder die Klage nur angestrebt wurde, um ein anderes, vertragsfremdes oder unlauteres Ziel zu erreichen.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 09.07.2007, II ZR 95/06