Leitsatz

Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage, wie der Bedarf des geschiedenen Ehegatten zu bestimmen ist, wenn der Unterhaltspflichtige nach rechtskräftiger Scheidung auch Unterhalt für die Mutter seines Kindes nach § 1615l Abs. 2 BGB schuldet (Dreiteilung aller verfügbaren Mittel).

 

Sachverhalt

Der Ehemann hatte sich in einem gerichtlichen Vergleich vom 3.5.2006 verpflichtet, seiner geschiedenen Ehefrau ab Mai 2006 monatlichen Unterhalt von 320,00 EUR zu zahlen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs war der Ehemann nur ihr gegenüber unterhaltspflichtig. Sie bezog Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und eine Zusatzversorgung.

Der Ehemann beabsichtigte die Erhebung einer Abänderungsklage mit dem Ziel, seiner geschiedenen Ehefrau ab Mai 2008 keinen Unterhalt mehr leisten zu müssen. Er machte geltend, seinem am 3.5.2007 geborenen Sohn sowie dessen Mutter, die nicht erwerbstätig sei, gegenüber unterhaltspflichtig zu sein. Im Hinblick darauf sei er nicht mehr in der Lage, an seine geschiedene Ehefrau, die den beiden anderen Unterhaltsgläubigern im Rang nachgehe, Unterhalt zu leisten.

Die von dem Ehemann beantragte Prozesskostenhilfe wurde ihm von dem erstinstanzlichen Gericht lediglich für den Zeitraum von Mai bis Juli 2008 gewährt. Während dieser Zeit hatte er väterliche Elternzeit in Anspruch genommen und lediglich Elterngeld erzielt. Ab August 2008 wurde Prozesskostenhilfe versagt unter Hinweis darauf, dass die geschiedene Ehefrau und die Mutter des minderjährigen Kindes des Ehemannes unterhaltsrechtlich gleichrangig seien und der Ehemann seiner geschiedenen Frau im vorliegenden Mangelfall immer noch Unterhalt von ca. 312,00 EUR monatlich schulde. Eine wesentliche Veränderung ggü. dem Zeitpunkt des Vergleichs sei daher nicht eingetreten.

Gegen die PKH-Entscheidung legte der Ehemann sofortige Beschwerde ein.

Sein Rechtsmittel war erfolgreich.

 

Entscheidung

Das OLG hegte Zweifel an der von dem erstinstanzlichen Gericht vertretenen Auffassung hinsichtlich der unterhaltsrechtlichen Gleichrangigkeit der geschiedenen Ehefrau und der Mutter des Kindes des Ehemannes. Nach § 1609 Nr. 2 BGB seien bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer auch ehebedingte Nachteile zu berücksichtigen. Daraus folge, dass der zweite Rang nur dann gewahrt sei, wenn über das Zeitmoment hinaus der unterhaltsberechtigte geschiedene Ehegatte ehebedingte Nachteile erlitten habe (so ausdrücklich BGH, Urt. v. 30.7.2008 XII ZR 177/06, Rz. 65).

Derartige Nachteile seien von der insoweit darlegungspflichtigen geschiedenen Ehefrau nicht geltend gemacht worden.

Das OLG vertrat weiter die Auffassung, dass letztendlich die Rangfrage nicht abschließend beantwortet werden müsse, da hinreichende Anhaltspunkte dafür beständen, dass der jetzige Unterhaltsbedarf der geschiedenen Ehefrau durch ihr eigenes Renteneinkommen gedeckt sei und ihr schon aus diesem Grunde ein Unterhaltsanspruch ggü. dem geschiedenen Ehemann nicht mehr zustehe.

Der Unterhaltsbedarf eines geschiedenen Ehegatten verringere sich, wenn das für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehende Einkommen des unterhaltspflichtigen Ehegatten durch das Hinzutreten weiterer Unterhaltsberechtigter sinke. Dabei wirke sich nicht nur der Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes, sondern auch der Anspruch einer neuen Ehefrau aus. Entsprechendes müsse auch für den Anspruch einer nach § 1615l BGB unterhaltsberechtigten Mutter gelten.

Für den Fall des Zusammentreffens eines geschiedenen und eines neuen Ehegatten des Unterhaltspflichtigen habe sich der BGH für eine Verteilung des nach Abzug des vorrangigen Kindesunterhalts verbleibenden Einkommens des Pflichtigen zu je 1/3 auf ihn selbst und die unterhaltsberechtigten Ehegatten ausgesprochen. Diese Dreiteilung sei auch dann geboten, wenn einer oder beide unterhaltsberechtigte Ehegatten über eigene Einkünfte verfügten. In diesem Fall bemesse sich der den beiden unterhaltsberechtigten Ehegatte zustehende Unterhaltsbedarf aus einem Drittel aller verfügbaren Mittel (BGH a.a.O.).

Ob diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall des Zusammentreffens einer geschiedenen Ehefrau und eines nach § 1615l BGB unterhaltsberechtigten Elternteils zu übertragen seien, könne nicht bereits im Rahmen der PKH-Entscheidung abschließend entschieden werden, sondern müsse dem Hauptverfahren vorbehalten bleiben.

 

Link zur Entscheidung

OLG Celle, Beschluss vom 10.10.2008, 10 WF 322/08

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