Entscheidungsstichwort (Thema)
Dreiteilung des Gesamteinkommens des Unterhaltspflichtigen und der Unterhaltsberechtigten
Leitsatz (amtlich)
Zur Konkurrenz zwischen einer geschiedenen Ehefrau und einer nach § 1615l BGB unterhaltsberechtigten Mutter.
Normenkette
BGB § 1609 Nr. 2, § 1615l
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 12.09.2008; Aktenzeichen 607 F 2374/08) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - FamG - Hannover vom 12.9.2008 teilweise geändert und dem Antragsteller auch insoweit unter Beiordnung des Rechtsanwalts K. Prozesskostenhilfe bewilligt, als er Abänderung des Vergleichs vom 3.5.2006 dahin begehrt, der Antragsgegnerin ab August 2008 keinen nachehelichen Unterhalt mehr zu schulden.
Gründe
I. In einem gerichtlichen Vergleich vom 3.5.2006 hatte sich der Antragsteller verpflichtet, der Antragsgegnerin, seiner geschiedenen Ehefrau, ab Mai 2006 einen monatlichen Unterhalt von 320 EUR zu zahlen. Zum damaligen Zeitpunkt war der Antragsteller, der in einem Beamtenverhältnis bei der ... steht, nur der Antragsgegnerin unterhaltspflichtig. Die Antragsgegnerin bezog Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus der Zusatzversorgung der ...
Der Antragsteller hat Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Abänderungsklage begehrt, mit der er das Ziel verfolgt, der Antragsgegnerin ab Mai 2008 keinen Unterhalt mehr zu schulden. Er macht geltend, er sei seinem am 3.5.2007 geborenen Sohn L. sowie dessen Mutter, die nicht erwerbstätig sei, unterhaltspflichtig geworden. Deshalb sei er nicht mehr in der Lage, der Antragsgegnerin, die den beiden anderen Unterhaltsgläubigern im Range nachgehe, Unterhalt zu leisten.
Das AG hat dem Antragsteller nur insoweit PKH bewilligt, als es um die Zeit von Mai bis Juli 2008 geht, in der der Antragsteller die väterliche Elternzeit in Anspruch genommen hat und lediglich über Elterngeld verfügte. Ab August 2008 hat das AG PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht versagt. Es ist der Auffassung, dass die Antragsgegnerin und die Mutter des Kindes L. unterhaltsrechtlich gleichrangig seien und der Antragsteller der Antragsgegnerin im vorliegenden Mangelfall immer noch einen Unterhalt von monatlich 311,51 EUR schulde, womit keine wesentliche Veränderung ggü. dem Zeitpunkt des Vergleichs vom 3.5.2006 vorliege.
II. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die beabsichtigte Abänderungsklage bietet auch für die Zeit ab August 2008 die zur Bewilligung von PKH ausreichende Erfolgsaussicht.
Es ist bereits zweifelhaft, ob die Auffassung des AG zutrifft, dass die Antragsgegnerin und die Mutter des Kindes L. unterhaltsrechtlich gleichrangig sind. Den minderjährigen unverheirateten und privilegierten volljährigen Kindern, die gem. § 1609 Nr. 1 BGB unterhaltsrechtlich im ersten Rang stehen, folgen im zweiten Rang Elternteile, die wegen Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind - dazu gehört hier die Mutter des Kindes L. jedenfalls ab August 2008 - sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer (§ 1609 Nr. 2 BGB). Die Annahme des AG, dass die Antragsgegnerin die letztgenannte Voraussetzung erfüllt, begegnet Bedenken. Schon nach früherem Recht wurde eine Ehe erst ab etwa 15 Jahren als "lang" angesehen (vgl. BGH FamRZ 1983, 886, 888). Davon dürfte auch nach dem seit Januar 2008 geltenden Recht als Untergrenze auszugehen sein, jedenfalls wenn - wie im vorliegenden Fall - aus der Ehe keine Kinder hervorgegangen sind und keine reine "Hausfrauenehe" vorliegt (vgl. Wendl/Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 5 Rz. 116; Palandt/Brudermüller, BGB, Nachtrag zur 67. Aufl., § 1609 Rz. 16). Darüber hinaus sind nach § 1609 Nr. 2 BGB bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer auch (ehebedingte) Nachteile i.S.d. § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass der zweite Rang nur dann gewahrt ist, wenn über das Zeitmoment hinaus der unterhaltsberechtigte (geschiedene) Ehegatte ehebedingte Nachteile erlitten hat (so ausdrücklich BGH, Urt. v. 30.7.2008 XII ZR 177/06, Rz. 65). Solche Nachteile sind hier jedoch weder von der insoweit darlegungspflichtigen Antragsgegnerin (vgl. BGH a.a.O. Rz. 66) vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin während der Ehe erkrankt und infolge dessen erwerbsunfähig geworden ist, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Antragsgegnerin (i.S.d. § 1578b Abs. 1 S. 2 BGB) durch die Ehe Nachteile erlitten hat.
Letztlich braucht die Rangfrage aber im Rahmen dieser Entscheidung nicht abschließend beantwortet zu werden. Denn es bestehen unabhängig davon bisher hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der jetzige Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin durch ihr eigenes Renteneinkommen gedeckt ist und ihr aus diesem Grund kein Unterhaltsanspruch mehr gegen den Antragsteller zusteht. Wie der BGH mit dem bereits zitierten Urteil vom 30.7.2008 entschieden hat, verringert sich der Un...