Leitsatz
Soweit es nach der Regelung der Gemeinschaftsordnung dem Teileigentümer eines Kellers gestattet ist, diesen ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu gewerblichen Zwecken zu nutzen, beinhaltet dies die Verpflichtung der übrigen Wohnungseigentümer, die zur Herbeiführung dieser Nutzung erforderlichen Maßnahmen, einschließlich baulicher Veränderungen, zu dulden. Hierzu gehört die Anbringung eines Briefkastens mit Klingelanlage im Eingangsbereich. Den übrigen Wohnungseigentümern steht nur dann ein Beseitigungsanspruch zu, soweit Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, die deren Belange wesentlich mehr beeinträchtigen als andere.
Sachverhalt
Nach der Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümer konnten die im
Sondereigentum stehenden Kellerräume sowohl Wohnzwecken zugeführt als auch
gewerblich genutzt werden. Um seinen Keller gewerblicher Nutzung zuzuführen,
brachte ein Wohnungseigentümer - ohne die Zustimmung der übrigen Miteigentümer
einzuholen - neben der Eingangstür gesonderte Briefkästen sowie eine
Klingelanlage an. Die Leitungen der Klingelanlage führte er durch das im
Gemeinschaftseigentum stehende Treppenhaus in die Kellerräume. Die Miteigentümer fühlten sich hierdurch gestört und entfernten sowohl Briefkasten
als auch Klingelanlage samt Zuführung.
Entscheidung
Der Eigenmacht der Wohnungseigentümer wurde durch das Gericht ein Riegel
vorgeschoben. Der Wohnungseigentümer hatte das Recht, sowohl den in Streit
stehenden Briefkasten anzubringen, als auch die Klingelanlage durch das
Gemeinschaftseigentum zu führen.
Stein des Anstoßes war im vorliegenden Verfahren nicht die beabsichtigte
gewerbliche Nutzung des Kellerraums, diese war ja durch die Gemeinschaftsordnung
gedeckt. Die Wohnungseigentümer störten sich vielmehr daran, daß der Eigentümer
ohne deren Zustimmung änderungen am Gemeinschaftseigentum zur Verwirklichung
seines Vorhabens vornahm. In diesem Zusammenhang mußte man sich vor Augen
führen, daß durch die Gemeinschaftsordnung die Nutzung der Kellerräume sowohl zu Wohn- als auch zu gewerblichen Zwecken erlaubt war. Wesentliche Voraussetzung für eine derartige Nutzung ist jedoch die Möglichkeit zur Kommunikation mit der Außenwelt. Im Klartext: Für den Bewohner des Kellerraumes wie für den gewerblichen Nutzer muß es möglich sein, Post entgegenzunehmen und Gäste bzw. Besucher zu empfangen. Die Richter legten daher die Eigentumsordnung auch so aus, daß durch sie alle zur Herbeiführung einer entsprechenden Nutzung
erforderlichen und vom betreffenden Teileigentümer auch veranlaßten Maßnahmen
einschließlich baulicher Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums gedeckt
waren.
Grenzen sind jedoch - wie bei jeder baulichen Veränderung des
Gemeinschaftseigentums - auch hier gesteckt, soweit die bauliche Veränderung
über die Duldungspflicht der übrigen Miteigentümer hinausgeht. Dann jedenfalls
besteht ein Beseitigungsanspruch der Wohnungseigentümer, der notfalls im Wege
der Selbsthilfe vollzogen werden kann.
Maßstab für eine derartige Duldungspflicht ist stets, ob die Belange der übrigen
Wohnungseigentümer in vermeidbarer Weise durch die verwirklichte Maßnahme
wesentlich mehr beeinträchtigt werden als durch eine andere, ob also den übrigen
Wohnungseigentümern ein über das für ein geordnetes Zusammenleben
unvermeidliches Maß hinausgehender Nachteil entstanden ist. Konkret geht es also
um die Frage, ob statt des Briefkastens und der Klingelanlage auch eine andere,
weniger beeinträchtigende Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit der Außenwelt
bestand. Es bedarf wohl keiner weiteren Ausführungen, daß dem nicht so ist.
Konsequenz: Die Wohnungseigentümer hatten die in Rede stehenden Gegenstände am Gemeinschaftseigentum zu dulden. Letztlich jedoch blieb es für diese nicht nur
bei der bloßen Duldungspflicht, über diese hinaus wurden die Wohnungseigentümer
auf entsprechenden Antrag hin auch noch zum Schadensersatz verurteilt. Im Wege
der Naturalrestitution, also der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands,
mußten diese für einen neuen Briefkasten und eine neue Klingelanlage nebst
Kabelleitung in den Keller sorgen.
Link zur Entscheidung
BayObLG, Beschluss vom 13.03.1997, 2Z BR 8/97
Fazit:
Vor der eigenmächtigen Beseitigung störender Veränderungen am
Gemeinschaftseigentum sollte immer zunächst geprüft werden, ob ein derartiger
Anspruch auch besteht. In diesem Zusammenhang ist stets die Gemeinschaftsordnung
zu beachten und gegebenenfalls auch auszulegen. Dies gilt um so mehr, als darin
Sondernutzungsrechte eingeräumt werden, die notwendiger Weise Veränderungen am Gemeinschaftseigentum erfordern.
Im übrigen spielen auch ästhetische Gesichtspunkte bei derartigen baulichen
Veränderungen keine Rolle. Es kann also von einem Wohnungseigentümer nicht
verlangt werden, etwa eine durch das Gemeinschaftseigentum zu führende
Kabelleitung unter Putz zu legen, wenn dies auch durch einen Kabelkanal möglich
ist.