Leitsatz
Der BGH hat sich in dieser Entscheidung auf der Grundlage des vor dem 1.1.2009 geltenden Rechts des Versorgungsausgleichs damit auseinandergesetzt, ob das Verschweigen der möglichen Vaterschaft eines anderen Mannes ein offensichtlich schwerwiegendes Fehlverhalten und damit eine unbillige Härte i.S.d. § 1587h Nr. 1 BGB a.F. bzw. § 1587c Nr. 1 BGB a.F. darstellen kann.
Sachverhalt
Die Antragstellerin und der Antragsgegner hatten im Januar 1987 geheiratet und waren auf einen im Dezember 1995 zugestellten Scheidungsantrag geschieden worden. Aus der Ehe war eine im Jahre 1967 geborene Tochter hervorgegangen. Im November 1984 hatte die Antragstellerin zudem einen behinderten Sohn geboren. In einem parallel geführten Unterhaltsrechtsstreit wurde vom Familiengericht über die Abstammung des Sohnes ein Sachverständigengutachten eingeholt, wonach die Vaterschaft des Antragsgegners ausgeschlossen war. Von dem außerehelichen Kontakt, aus dem das Kind stammte, hat die Antragstellerin dem Antragsgegner erstmals im Jahre 2005 berichtet.
Im Scheidungsverbundverfahren wurde der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei wurden gesetzliche Rentenanwartschaften vom Versicherungskonto des Ehemannes auf das der Ehefrau übertragen. Wegen eines betrieblichen Anrechts des Ehemannes blieb der Ehefrau der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten. Nach Erreichen der Altersgrenze begehrte die Antragstellerin im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs vom ehezeitlichen Anteil an der vom Antragsgegner bezogenen betrieblichen Altersrente die Hälfte.
Das AG hat den rechnerisch zustehenden schuldrechtlichen Versorgungsausgleich um die Hälfte gekürzt. Das OLG hat einen Quotienten aus dem Verhältnis der Ehezeit vor der Geburt des Sohnes zur gesamten Ehezeit gebildet.
Mit den zugelassenen Rechtsbeschwerden begehrte die Antragstellerin den ungekürzten Versorgungsausgleich und der Antragsgegner dessen vollständigen Ausschluss.
Die Rechtsmittel führten zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
Entscheidung
Der BGH kam zu dem Ergebnis, das Verschweigen der möglicherweise anderweitigen Abstammung des während der Ehe geborenen Sohnes stelle ein schwerwiegendes Fehlverhalten der Antragstellerin dar, das die Gewährung des Versorgungsausgleichs für den insoweit verpflichteten Antragsgegner zu einer unbilligen Härte gemäß § 1587h Nr. 1 BGB werden lasse.
Eine unbillige Härte im Sinne dieser Vorschrift liege vor, wenn die Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Umständen des Einzelfalls dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widerspreche, was sich im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben müsse.
Der Ehemann könne sich auch trotz seiner rechtlichen Vaterschaft im vorliegenden Verfahren darauf berufen, dass der Sohn nicht von ihm abstamme. Die feststehende rechtliche Vaterschaft stelle keinen generellen Hinderungsgrund für die Aufklärung der biologischen Abstammung dar. Vielmehr habe der rechtliche Vater ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht auf Kenntnis der Abstammung des Kindes von ihm (BVerfG FamRZ 2007, 441).
In dem parallel geführten Unterhaltsrechtsstreit zwischen den Beteiligten seien in zulässiger Weise Erkenntnisse gewonnen worden, wonach die biologische Vaterschaft des Ehemannes ausgeschlossen sei. Das dort eingeholte Sachverständigengutachten dürfe trotz der grundsätzlichen Rechtsausübungssperre des § 1599 Abs. 1 BGB im Versorgungsausgleichsverfahren verwertet werden.
Hinweis
Mit dieser Entscheidung hat der BGH seine Rechtsprechung zur Beachtung bzw. durch Durchbrechung der Rechtsausübungssperre des § 1599 Abs. 1 BGB fortgesetzt und die grundsätzliche Unzulässigkeit der Durchbrechung der Rechtsausübungssperre betont, die insbesondere die Entstehung einer doppelten Vaterschaft verhindern soll. Bereits in früheren Entscheidungen hat der BGH bestimmt Anforderungen an eine Durchbrechung der Rechtsausübungssperre normiert (vgl. BGH in NJW 2008, 2433; BGH in NJW 2012, 450; BGH in NJW 2012, 1443; BGH in NJW 2008, 3429).
Die gegenüber der bisherigen Rechtsprechung eher gelockerte Sichtweise, nach der entgegen § 1599 Abs. 1 BGB eine feststehende rechtliche Vaterschaft keinen generellen Hinderungsgrund für die Aufklärung der biologischen Vaterschaft darstelle, ist vor allem der neuen gesetzlichen Entwicklung, insbesondere dem in § 1598a BGB geschaffenen Verfahren zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren, geschuldet, dass eine von statusrechtlichen Wirkungen losgelöste Abstammungsklärung zulässt.
Nach Auffassung des BGH ist vor diesem Härtegrund eine Durchbrechung der Rechtsausübungssperre nicht nur bei einer unstreitigen abweichenden leiblichen Vaterschaft, sondern auch dann zulässig, wenn die leibliche Vaterschaft des rechtlichen Vaters auf zulässigem Wege ausgeschlossen worden ist.
Link zur Entscheidung
BGH, Be...