Leitsatz

Eheleute, die während der ehelichen Lebensgemeinschaft ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in der DDR hatten, wurden dort aufgrund eines vor dem 01.09.1986 eingereichten Ehescheidungsantrages geschieden. Die Ehefrau beantragte im Jahre 1999 die nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs.

 

Sachverhalt

Die Parteien waren deutsche Staatsangehörige und hatten ihren letzten gemeinsamen Aufenthalt in der DDR. Ihre im Jahre 1956 geschlossene Ehe wurde durch Urteil eines Kreisgerichts im Jahre 1982 rechtskräftig geschieden. Ein Versorgungsausgleich wurde nach dem damals geltenden Recht der DDR nicht durchgeführt. Beide Parteien siedelten vor dem Wirksamwerden des Beitritts aus der ehemaligen DDR in die alten Bundesländer über.

Im April 1999 beantragte die Ehefrau beim AG die nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs. Ihr Antrag wurde abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Ehefrau wurde vom OLG zurückgewiesen, die weitere Beschwerde wurde nicht zugelassen.

Einen Antrag der Ehefrau, den Beschluss des OLG um die Zulassungsentscheidung zu ergänzen, wies das OLG ebenfalls zurück.

Gegen die Entscheidung des AG und des OLG legte die Ehefrau Verfassungsbeschwerde ein. Durch stattgebenden Kammerbeschluss hob das BVerfG den Beschluss des OLG hinsichtlich der Nichtzulassung der weiteren Beschwerde wegen eines Verstoßes gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter auf und verwies die Sache insoweit an das OLG zurück.

Das OLG ergänzte seine Entscheidung und ließ die weitere Beschwerde zu. Mit diesem Rechtsmittel verfolgte die Ehefrau ihr Ziel einer nachträglichen Durchführung des Versorgungsausgleichs weiter.

Das Rechtsmittel der Ehefrau führte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

 

Entscheidung

Der BGH sprach sich in seiner Entscheidung für eine Durchführung des Versorgungsausgleichs aus. Die Übergangsvorschriften des Einigungsvertrages (Art. 234 § 6 S. 1 EGBGB) bestimmten, dass für Ehegatten, die vor dem grundsätzlichen In-Kraft-Treten der versicherungs- und rentenrechtlichen Vorschriften des SGB VI im Beitrittsgebiet am 1.1.1992 geschieden worden sind, das Recht des Versorgungsausgleichs nicht gilt. Danach galten auch nach dem 3.10.1990 für den Bereich des Versorgungsausgleichs in den beiden Teilen Deutschlands bis zum 31.12.1991 weiterhin verschiedene Teilrechtsordnungen.

Welche dieser beiden Teilrechtsordnungen Anwendung finde, sei nicht Gegenstand der Übergangsregelung. Diese Frage müsse allein nach dem bisherigen interlokalen Kollisionsrecht bestimmt werden, dessen Grundsätze durch den Einigungsvertrag nicht berührt worden seien (BGH, Beschl. v. 12.12.1990 - XII ZB 201/87, MDR 1991, 641 = FamRZ 1991, 421 [422]; v. 4.12.1991 - XII ZB 21/91, FamRZ 1992, 295; Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., Art. 234 § 6 EGBGB Rz. 2).

Da auf innerdeutsche Rechtskonflikte die interlokal-privatrechtlichen Kollisionsregelungen anzuwenden seien, müssten die im EGBGB enthaltenen Regelungen zum internationalen Privatrecht - hier die Übergangsregelungen des Art. 220 Abs. 1 EGBGB - für das vor dem 1.9.1986 geltende Kollisionsrecht herangezogen werden.

Die danach gebotene vorrangige Anknüpfung an die gemeinsame Staatsangehörigkeit ausländischer Ehegatten sei bei innerdeutschen Rechtskonflikten nicht mehr vorzunehmen, weil die in der DDR bestehende Staatsbürgerschaft nicht von der Bundesrepublik anerkannt worden sei und somit die Schutzwirkungen der deutschen Staatsbürgerschaft nicht auf die Bürger der alten Bundesrepublik beschränkt gewesen seien, sondern von jedem Bürger der DDR beansprucht werden konnte, wenn er sich in den Schutzbereich der alten Bundesrepublik begab. Bei einem Wechsel eines Bürgers der DDR in die Bundesrepublik sei auf die allgemeinen Regeln des Internationalen Privatrechts in der Weise zurückgegriffen worden, dass bei Fehlen einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten das Scheidungs- und Scheidungsfolgenstatut nach dem Recht des Staates bestimmt worden sei, in dem beide Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten oder noch während der Ehe zuletzt gehabt haben, wenn einer von ihnen seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin dort hatte. Dies habe zum Wandel des Scheidungsfolgenstatuts geführt, wenn durch den Wechsel eines Ehegatten aus der DDR in die Bundesrepublik der entscheidende Bezug zur DDR entfallen sei.

Dies bedeute für den Versorgungsausgleich, dass dieser nicht durchzuführen war, solange einer der Ehegatten in der DDR verblieb. Nach Übersiedlung auch des anderen Ehegatten ebenfalls in die Bundesrepublik war der Versorgungsausgleich mit Wirkung für die Zukunft nachzuholen. Dies gelte jedoch nur für eine Übersiedlung vor dem 3.10.1990. Diese Voraussetzung war im vorliegenden Fall gegeben. Im Falle eines Wechsels nach dem 2.10.1990 in die alten Bundesländer sei keine Wandlung der Anknüpfung mehr eingetreten, weil nach Art. 234 § 6 S. 1 EGBGB eine einheitliche Rechtsordnung in beiden Teilen gelte.

Der BGH stützt...

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