Angelika Poziemski, Detlef Burhoff
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Verwaltungsbehörde überprüft die Zulässigkeit des Einspruchs in eigener Zuständigkeit. Erweist sich der Einspruch als unzulässig, ist er von ihr zu verwerfen, sofern keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. |
2. |
Die Verwerfungsbefugnis erstreckt sich grds. auf alle zur Unzulässigkeit des Einspruchs führenden Gründe. |
3. |
Inhaltlich enthält der Verwerfungsbescheid neben einer Fristberechnung zur nachvollziehbaren Darstellung der Fristversäumnis u.a. Angaben zur Rechtsgrundlage des § 69 Abs. 1 S. 1 und einer mit der Einspruchsverwerfung verbundenen Auslagenentscheidung (§ 107 Abs. 3). Mangels Sachentscheidung kommen Ausführungen z.B. zu sachlichen Einwendungen des Betroffenen gegen die im Bußgeldbescheid getroffene Entscheidung oder zu der dieser zugrunde liegenden Beweiswürdigung nicht in Betracht. |
4. |
Eine förmliche Kostenentscheidung ist entbehrlich. |
5. |
Gegen den Verwerfungsbescheid kann gem. § 69 Abs. 1 S. 2 innerhalb von 2 Wochen ab seiner Zustellung der befristete Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 gestellt werden; bei Fristversäumnis ist auch hier Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich. Der Antrag ist bei der Verwaltungsbehörde einzureichen. |
6. |
Wird zusammen mit einem verfristeten Einspruch zugleich Wiedereinsetzung beantragt, ist vorrangig über die Wiedereinsetzung zu entscheiden. |
7. |
Ausnahmsweise kommt auch eine Einspruchsverwerfung durch das Gericht in Betracht, z.B. dann, wenn die Verwaltungsbehörde Unzulässigkeitsgründe übersehen hat oder das Gericht bei deren rechtlicher Bewertung von derjenigen der Behörde zum Nachteil des Antragstellers abweicht. Die gerichtliche Verwerfung erfolgt außerhalb der HV durch zu begründenden Beschluss. In dem gerichtlichen Beschluss muss eine Kostenentscheidung getroffen werden. |
Rdn 990
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Einspruch, Allgemeines, Rdn 909.
Rdn 991
1. Nach Eingang des Einspruchs überprüft die Verwaltungsbehörde zu Beginn des Zwischenverfahrens (→ Zwischenverfahren, Rdn 4331) die Zulässigkeit des Einspruchs, insbesondere seine frist- und formgerechte Einlegung in eigener Zuständigkeit. Erweist sich die Einlegung des Einspruchs als unzulässig, wird er von der Verwaltungsbehörde nach § 69 Abs. 1 S. 1 verworfen, wozu die Verwaltungsbehörde bei Unzulässigkeit nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist (BeckOK StVR/Lay, § 69 Rn 3). Die der Verwaltungsbehörde im Zwischenverfahren zugewiesene Filter-, Sachaufklärungs- und Selbstkontrollfunktion kann nur dann effektiv erfüllt werden, wenn ihr auch die Befugnis eingeräumt wird, über die quantitativ die Verwerfungspraxis dominierende Frage der Rechtzeitigkeit des Einspruchs hinaus für den Fall der Fristversäumnis zugleich über eine etwaige → Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Rdn 4245, gegen die Versäumung der Einspruchsfrist nach allgemeinen Regeln (§ 52 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 i.V.m. §§ 44, 45, 46 Abs. 2 und 3, 47 StPO) selbst zu entscheiden (Göhler/Seitz/Bauer, § 69 Rn 1).
Rdn 992
Von der Möglichkeit der Wiedereinsetzung (→ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Rdn 4245) wegen feststehender Fristversäumnis dogmatisch streng zu unterscheiden ist die Frage nach den verfahrensrechtlichen Konsequenzen, wenn nicht festgestellt werden kann, ob die Frist versäumt worden ist, wobei die Ursachen für diesen ebenso unbefriedigenden wie leider immer häufiger festzustellenden Befund vielfältig sein können (u.a. sorglose Aktenführung, unbemerkt fehlerhaft arbeitende oder schlicht falsch bediente behördliche Empfangsvorrichtungen). Kann die Frage letztlich nicht geklärt werden, darf der nicht behebbare Zweifel nach einhelliger und zwingender Auffassung nicht zulasten des Einspruchsführers aufgelöst werden, wozu es freilich nicht des Zweifelssatzes bedarf. Der immerhin vorliegende Einspruch ist demgemäß als rechtzeitig eingelegt zu behandeln; einer Wiedereinsetzung bedarf es nicht (BGH NJW 1960, 2202; StV 1995, 454; KG NZV 1992, 498; Göhler/Seitz/Bauer, § 69 Rn 3).
☆ Hiervon wiederum zu unterscheiden ist die Beurteilung der Konsequenzen, wenn sich trotz Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel schon der Eingang des Einspruchs , sonstigen Rechtsbehelfs oder Rechtsmittels nicht klären lässt , weil er weder bei den Akten zu finden ist und auch keine mittelbaren Spuren, z.B. in Beiakten, Handakten, Senatsheften, ausgehobenen Aktenstücken oder Blattsammlungen hinterlassen hat, die auf seine Existenz hindeuten. Obwohl auch hierfür eine Vielzahl von nicht der Verantwortungssphäre des Einlegenden zuzurechnenden Ursachen in Betracht kommen und die Situation auf den ersten Blick derjenigen der nur zweifelhaften Fristwahrung gleichen mag, ist der Rechtsbehelf nach zutreffender Ansicht als nicht eingelegt zu behandeln mit der Folge, dass er als unzulässig zu verwerfen ist (OLG Karlsruhe NStZ 1994, 200; OLG Hamm 1982, 43; Göhler /Seitz/Bauer , § 69 Rn 3; KK/ Ellbogen , § 70 Rn 16). In diesen Fällen, insbesondere bei ernsthaft in Betracht zu ziehenden techni...