Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Verfolgungsbehörde kann das Verfahren nach § 47 Abs. 1 einstellen, solange es bei ihr anhängig ist.
2. Die gerichtliche Einstellung ist grds. von der Zustimmung der StA, jedoch nicht des Betroffenen abhängig. Der Zustimmung bedarf es außerhalb der HV nicht, wenn eine Geldbuße von nicht mehr als 100,00 EUR verhängt wurde und die StA erklärt hat, an der HV nicht teilzunehmen. Innerhalb der HV entfällt das Zustimmungserfordernis, wenn die StA an ihr nicht teilnimmt.
3. Der an sich unanfechtbare Einstellungsbeschluss ist für die StA ausnahmsweise mit der (sofortigen) Beschwerde anfechtbar, wenn gegen zwingendes Verfahrensrecht verstoßen wurde.
4. Die Einstellung des Verfahrens kann in geeigneten Fällen auch noch durch das Rechtsbeschwerdegericht erfolgen.
5. Für den Einstellungsbeschluss ist eine zumindest beschränkte Rechtskraftwirkung anzuerkennen, die einer Wiederaufnahme und Fortsetzung des Verfahrens durch die Verfolgungsbehörde entgegensteht.
6. Von der grds. umfassenden Kostentragungspflicht der Staatskasse werden häufig die notwendigen Auslagen ausgenommen. Eine selbstständige Anfechtung der Kostenentscheidung ist ausgeschlossen. Jedoch ist eine Gehörsrüge möglich.
 

Rdn 1040

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Einstellung des Verfahrens nach § 47, Opportunitätsgrundsatz und Voraussetzungen, Rdn 1018.

 

Rdn 1041

1. "Solange das Verfahren bei ihr anhängig ist", kann die Verfolgungsbehörde (Verwaltungsbehörde oder StA) das Verfahren gem. § 47 Abs. 1 durch schriftliche Verfügung einstellen. Eine gerichtliches oder staatsanwaltschaftliches (bei Einstellung durch die Verwaltungsbehörde) Zustimmungserfordernis besteht nicht (s.a. → Zwischenverfahren, Rdn 4331).

 

Rdn 1042

2.a) Will das Gericht (auch das Rechtsbeschwerdegericht, Rdn 1045 ff.) das Verfahren nach § 47 Abs. 2 einstellen, prüft es das Vorliegen der Voraussetzungen ohne Bindung an Vorentscheidungen, insbesondere Ermessensentscheidungen der Verfolgungsbehörden in eigener Zuständigkeit (BeckOK OWiG/A. Bücherl § 47 Rn 22). Hält es eine Ahndung für nicht geboten, ist die Verfahrenseinstellung jedoch nach § 47 Abs. 2 S. 1 grds. von der – bis zur Einstellungsentscheidung widerrufbaren (KK/Mitsch, § 47 Rn 96) – Zustimmung der StA abhängig, während eine Zustimmung des Betroffenen (oder seines Verteidigers) nicht erforderlich ist (zu den möglichen Varianten und Voraussetzungen einer zulässigen Teileinstellung nach § 47 durch Verwaltungsbehörde, StA oder Gericht → Einstellung des Verfahrens nach § 47, Opportunitätsgrundsatz und Voraussetzungen, Rdn 1018, insb. Rdn 1031 ff.). Die gerichtliche Verfahrenseinstellung erfolgt außerhalb wie innerhalb der HV durch Beschluss. Schon im Hinblick auf eine mit der Verfahrenseinstellung in der Praxis nicht selten verbundene nachteilige Auslagenentscheidung (Rdn 1054 f.) ist der (auch geständige) Betroffene bzw. seine Verteidigung vor der endgültigen Einstellung durch das Gericht anzuhören und Gelegenheit zur Stellungnahme in angemessener Frist zu geben (VerfGH Berlin, Beschl. v. 27.4.2022 – VerfGH 106/20). Unterbleibt die Anhörung des Betroffenen ist bei nachteiliger Auslagenentscheidung auf die Gehörsrüge des Betroffenen im Anhörungsrügeverfahren nach § 46 Abs. 1 i.V.m. § 33a StPO die Gewährung rechtlichen Gehörs zwingend nachzuholen mit der Folge, dass die an sich unanfechtbare Kosten- und Auslagenentscheidung (§ 47 Abs. 2 S. 3) ggf. wieder abzuändern ist (BVerfG NJW 2016, 861 = StRR 2015, 474 = RVGreport 2016, 158; Göhler/Seitz/Bauer, § 47 Rn 36; BeckOK OWiG/A. Bücherl, § 47 Rn 31, 54; → Nachholung des rechtlichen Gehörs, Rdn 2859; → Anhörungsrüge, Rdn 324).

 

Rdn 1043

b) Der Zustimmung der StA bedarf es außerhalb der HV nach § 47 Abs. 2 S. 2 ausnahmsweise nicht, wenn

im Bußgeldbescheid lediglich eine Geldbuße bis einschließlich 100,00 EUR festgesetzt worden ist und
die StA erklärt hat, "sie nehme an der Hauptverhandlung nicht teil", wovon in Verkehrssachen regelmäßig auszugehen ist (vgl. Nr. 284 RiStBV; KK/Ellbogen, § 69 Rn 117 und → Zwischenverfahren, Rdn 4331, insb. Rdn 4346). Das Vorliegen der entsprechenden Erklärung der StA bereits im Rahmen der Aktenversendung nach § 69 Abs. 4 S. 2 sollte jedoch in jedem Fall durch einen Blick in die Akten nachgeprüft werden. Auch dann wird die StA als Vertreterin des öffentlichen Interesses allerdings vor einer gerichtlichen Einstellung nicht nur als nobile officium vom Gericht anzuhören sein, um ihr insbesondere Gelegenheit zu geben, die nach ihrer Auffassung gegen eine Einstellung sprechenden und dem Gericht möglicherweise verborgen gebliebenen Opportunitätserwägungen mitzuteilen und so auf die Entscheidung des Gerichts noch Einfluss zu nehmen.
 

☆ Nach zutreffender Ansicht muss die Erklärung der StA , an der Verhandlung nicht teilzunehmen, ausdrücklich vorliegen , weshalb das Schweigen auch auf eine eigens formulierte gerichtliche Anfrage oder auch die bloße Ankündigung, voraussichtlich der HV fern zu bleiben, eine Teilnahme aber noch vorbehalte...

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