Rdn 1715

1. Nach § 233 kann ohne den Angeklagten verhandelt werden, wenn er vom Erscheinen in der HV entbunden worden ist.

 

☆ Ob der Angeklagte von der Pflicht zum Erscheinen in der HV entbunden werden kann, ist an sich eine Frage, die vom Verteidiger schon bei der →  Vorbereitung der Hauptverhandlung , Teil V Rdn  3944 , zu prüfen ist, so z.B. wenn der Angeklagte weit vom Gerichtsort entfernt wohnt oder er alt und gebrechlich ist. Da der Antrag auf Entbindung aber auch noch zu Beginn der ( Berufungs- ) HV gestellt werden kann (BGHSt 25, 281 [für Berufungs-HV]; OLG Hamm NJW 1969, 1129; OLG Schleswig SchlHA 1964, 70), bietet er eine gute Möglichkeit, →  Zwangsmittel bei Ausbleiben des Angeklagten , Teil Z Rdn  4336 , oder ein Verwerfungsurteil nach § 329 zu verhindern (→  Berufung, Verwerfung, Ausbleiben des Angeklagten, Allgemeines , Teil B Rdn  785 ). Ggf. kann der Verteidiger auch noch in der HV den Erlass eines Strafbefehls anregen (→  Ausbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung , Teil A Rdn  449 ).Vorbereitung der Hauptverhandlung, Teil V Rdn 3944, zu prüfen ist, so z.B. wenn der Angeklagte weit vom Gerichtsort entfernt wohnt oder er alt und gebrechlich ist. Da der Antrag auf Entbindung aber auch noch zu Beginn der (Berufungs-)HV gestellt werden kann (BGHSt 25, 281 [für Berufungs-HV]; OLG Hamm NJW 1969, 1129; OLG Schleswig SchlHA 1964, 70), bietet er eine gute Möglichkeit, → Zwangsmittel bei Ausbleiben des Angeklagten, Teil Z Rdn 4336, oder ein Verwerfungsurteil nach § 329 zu verhindern (→ Berufung, Verwerfung, Ausbleiben des Angeklagten, Allgemeines, Teil B Rdn 785). Ggf. kann der Verteidiger auch noch in der HV den Erlass eines Strafbefehls anregen (→ Ausbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung, Teil A Rdn 449).

 

Rdn 1716

2. Voraussetzung für die Entbindung vom Erscheinen ist nach § 233 Abs. 1 S. 1, dass nur reduzierte Rechtsfolgen zu erwarten sind, und zwar u.a. nur Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten, Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot; auch die Entziehung der Fahrerlaubnis oder Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung ist zulässig. Entscheidend ist nicht die abstrakte, sondern die konkrete Straferwartung (KK-Gmel, § 233 Rn 4). Kommt das Gericht dem Antrag nach, muss es den Angeklagten gem. § 233 Abs. 2 durch einen beauftragten oder ersuchten Richter über die ­Anklage vernehmen lassen (Teil E Rdn 1718).

 

Rdn 1717

3. Die Entbindung erfolgt auf Antrag, für den der Verteidiger eine über seine Verteidigervollmacht hinausgehende Vertretungsvollmacht benötigt (BGHSt 12, 367; OLG Hamm NJW 1969, 1129). Nach h.M. genügt aber die allgemeine Vollmacht, den Angeklagten in dessen Abwesenheit vertreten zu dürfen (OLG Köln NStZ 2002, 268 f. m.w.N. [für das Bußgeldverfahren]; Meyer-Goßner/Schmitt, § 233 Rn 5 m.w.N.; → Verteidiger, Vollmacht des Verteidigers, Teil V Rdn 3826 ff.).

 

☆ Über den Entbindungsantrag entscheidet in der HV das Gericht in der dafür vorgesehenen Besetzung, also mit Schöffen, und nicht der Vorsitzende allein. Der ergehende Beschluss ist zu begründen.entscheidet in der HV das Gericht in der dafür vorgesehenen Besetzung, also mit Schöffen, und nicht der Vorsitzende allein. Der ergehende Beschluss ist zu begründen.

Eine ablehnende Entscheidung ist wegen § 305 S. 1 nicht mit der → Beschwerde, Teil B Rdn 907, anfechtbar (OLG Hamm NJW 1969, 1129). Da es sich um eine Maßnahme des Gerichts handelt, ist auch das Beanstandungsrecht aus § 238 Abs. 2 nicht gegeben.

 

Rdn 1718

4. Entbindet das Gericht den Angeklagten von der Verpflichtung zum Erscheinen, muss er nach § 233 Abs. 2 S. 1 durch einen beauftragten oder ersuchten Richter über die Anklage vernommen werden. Diese – zwingende (Meyer-Goßner/Schmitt, § 233 Rn 14 m.w.N.) – Vernehmung dient der Gewährung rechtlichen Gehörs zum Anklagevorwurf. Da der Angeklagte zudem über die in seiner Abwesenheit zulässigen Rechtsfolgen belehrt werden muss, wird durch die die Vernehmung geklärt, ob er seinen Entbindungsantrag aufrechterhalten möchte (Meyer-Goßner/Schmitt, § 233 Rn 15; zum Verfahren usw. Meyer-Goßner/Schmitt, § 233 Rn 14; SSW-StPO/Grube, § 233 Rn 16).

 

☆ Durch das Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren v. 25.4.2013 ist als weitere Möglichkeit die unmittelbare Vernehmung durch das Gericht selbst außerhalb der HV unter Einsatz einer Videokonferenz vorgesehen (§ 233 Abs. 2 S. 3). Da dadurch zeitraubender Aktenversand vermieden wird und der in die Sache eingearbeitete Richter vernimmt, ist diese Form der Vernehmung gegenüber derjenigen durch den beauftragten oder ersuchten Richter vorzugswürdig (SSW-StPO/ Grube , § 233 Rn 15)."Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren" v. 25.4.2013 ist als weitere Möglichkeit die unmittelbare Vernehmung durch das Gericht selbst außerhalb der HV unter Einsatz einer Videokonferenz vorgesehen (§ 233 Abs. 2 S. 3). D...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?