Leitsatz
In dieser Entscheidung hat sich der BGH mit dem Verfahren der Eheaufhebung auseinandergesetzt. Es ging dabei zum einen um das Bestehen eines Aufhebungsgrundes und zum anderen um das Vorliegen eines Interesses an der Aufhebung der Ehe.
Sachverhalt
Der im Jahre 1936 geborene Antragsgegner und die 1950 geborene Antragsgegnerin waren seit ca. 1973 partnerschaftlich verbunden. Zunächst wohnten sie in getrennten Wohnungen. Im April 2003 wurde der Antragsgegner nach Alkoholmissbrauch und mit dem Verdacht auf Demenz vom Typ Alzheimer in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung einer Universitätsklinik untergebracht. Im Mai 2003 bestellte das AG die Antragsgegnerin zur Betreuerin des Antragsgegners. Im Februar 2004 zog der Antragsgegner in ein von der Antragsgegnerin aus Mitteln des Antragsgegners erworbenes Wohnhaus, in welchem beide nach wie vor gemeinsam lebten und die Antragsgegnerin den Antragsgegner pflegte. Am 7.4.2004 fand die standesamtliche Trauung im Schlafzimmer der Antragsgegner statt, am 5.6.2005 die kirchliche Trauung, ebenfalls im Hause der Antragsgegner.
Die Nichte des Antragsgegners, seine gesetzliche Erbin, regte bei der zuständigen Verwaltungsbehörde ein Eheaufhebungsverfahren aufgrund fehlender Ehegeschäftsfähigkeit an. Das AG hat den Antrag nach Einholung eines Sachverständigengutachtens stattgegeben. Das OLG hat die Berufung der Antragsgegnerin nach weiterer Beweisaufnahme zurückgewiesen.
Hiergegen richtete sich die zugelassene Revision der Antragsgegnerin.
Entscheidung
Der BGH hat die vorinstanzliche Entscheidung aufgehoben und den Antrag der Verwaltungsbehörde als im Ergebnis unzulässig abgewiesen.
In dem vom BGH entschiedenen Fall war offensichtlich, dass die Demenzerkrankung des Antragsgegners zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits so stark fortgeschritten war, dass er die Bedeutung der Eheschließung nicht mehr erfassen konnte, somit nach § 1304 BGB nicht mehr ehegeschäftsfähig gewesen sei. Seine Ehe habe deswegen an sich durch richterliche Entscheidung gemäß §§ 1313, 1314 Abs. 1 BGB aufgehoben werden können.
Antragsberechtigt für das Verfahren der Eheaufhebung seien bei einem Verstoß gegen § 1304 BGB jeder Ehegatte sowie die zuständige Verwaltungsbehörde. Letzteres hatte den Antrag im vorliegenden Verfahren gestellt.
Anders als vom OLG beurteilt, lagen nach Auffassung des BGH die Voraussetzungen einer schweren Härte i.S.v. § 1316 Abs. 3 BGB vor.
Der BGH verneinte allerdings das für die Stellung des Aufhebungsantrages durch die Behörde notwendige Interesse. Ob die Behörde den Antrag auf Eheaufhebung stelle oder dies unterlasse, liege in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Gemäß § 1316 Abs. 3 BGB solle sie den Antrag stellen, wenn nicht die Aufhebung der Ehe für einen Ehegatten oder für die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten erscheine. Das Eingreifen der Härteklausel sei vom Gericht eigenständig von Amts wegen zu prüfen. Sei dies zu bejahen, habe das Gericht den Antrag der Verwaltungsbehörde als unzulässig zurückzuweisen.
Der BGH bejahte die Voraussetzungen für den Härtegrund unter Hinweis auf die mehr als 40-jährige Verbundenheit der Antragsgegner und die seit 2003 erfolgende Pflege des Antragsgegners, in der sich die besondere eheliche Solidarität manifestiere.
Zudem habe die Antragsgegnerin die spätere Aufhebung der Ehe nicht befürchten müssen, weil der Standesbeamtin bei der Eheschließung alle Umstände bekannt gewesen seien.
Hinweis
Der BGH zeigt mit dieser Entscheidung deutlich auf, dass für die Frage, ob eine Ehe aufgehoben wird, nicht das bloße Bestehen eines Aufhebungsgrundes entscheidend ist, sondern auch das Vorliegen eines Interesses daran, diesen Grund geltend zu machen.
Im vorliegenden Fall, in dem der Eheaufhebungsantrag nicht von einem der Ehepartner, sondern von einer Behörde gestellt worden ist, besteht schon wegen des Schutzes der Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG ein besonderer Rechtfertigungszwang für den staatlichen Eingriff, der ja gerade ohne oder gegen den Willen der Eheleute erfolgt. In diesen Fällen muss deswegen positiv ein öffentliches Interesse an der Geltendmachung nachgewiesen werden.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 11.04.2012, XII ZR 99/10