Leitsatz
Getrennt lebende Eheleute stritten sich um den an die Ehefrau zu zahlenden Trennungsunterhalt. Die Ehefrau war selbständige Rechtsanwältin, der Ehemann pensionierter Staatsanwalt. Beide Parteien litten an psychischen Erkrankungen.
Die Ehefrau berief sich darauf, in den Jahre 1998 - 2002 keinen Gewinn erwirtschaftet zu haben. Unter Berücksichtigung ihrer schlechten gesundheitlichen Verfassung, ihres Alters und ihrer schlechten Examina sei sie auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar. Sie könne ihren Lebensunterhalt aus ihrer selbständigen Tätigkeit nicht bestreiten.
Der Ehemann bestritt die Bedürftigkeit der Ehefrau und berief sich im Übrigen auf Verwirkung des Unterhaltsanspruchs. Sie habe sich einer schweren Körperverletzung ihm gegenüber schuldig gemacht, da sie ihm eine Sektflasche auf den Kopf geschlagen und hierdurch erhebliche Verletzungen zugefügt habe. Ferner habe sie gegen ihn aufgrund von ihr erlittener Verletzungen, die nachweislich nicht er ihr beigebracht habe, Strafanzeige erstattet und an ihren wahrheitswidrigen Behauptungen insoweit über Jahre festgehalten. Nicht zuletzt dieses Verhalten habe bei ihm zu dauernden Dienstunfähigkeiten geführt.
Erstinstanzlich wurde der Ehemann zur Zahlung rückständigen und laufenden Ehegattenunterhalts verurteilt. Aufseiten der Ehefrau wurden nach Einholung eines Sachverständigengutachtens insoweit fiktive Einkünfte von - bereits bereinigt - ca. 750,00 EUR zugrunde gelegt. Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs kam nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts nicht in Betracht.
Hiergegen richtete sich die Berufung beider Parteien. Das Rechtsmittel der Ehefrau erwies sich als unbegründet, das Rechtsmittel des Ehemannes war teilweise erfolgreich.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, der Ehefrau könne für den Unterhaltszeitraum fiktives Einkommen nicht zugerechnet werden. Bei einer Bewerbung müsse sie ihre Krankheit offenbaren und hätte damit keine Chance, eine Arbeitsstelle zu finden.
Allerdings sei aus ihrer Erwerbsobliegenheit herzuleiten, dass sie alles ihr Mögliche zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit tun müsse. Von dem Sachverständigen sei ihr eine intensivere psychiatrische Behandlung empfohlen worden. Die Ehefrau sei erst 51 Jahre alt und damit verpflichtet, im Falle der Wiederherstellung ihrer Gesundheit vollschichtig zu arbeiten.
Im Übrigen berücksichtigte das OLG die bei beiden Parteien bestehenden psychischen Erkrankungen und kam vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis, ein völliger Ausschluss des Unterhaltsanspruchs der Ehefrau sei nicht angemessen.
Nach Abwägung aller Umstände sei jedoch eine Herabsetzung des Trennungsunterhalts um 50 % geboten. Die von der Ehefrau begangene gefährliche Körperverletzung müsse als Kurzschlusshandlung und damit als einmaliges Fehlverhalten eingestuft werden. Allein dies reiche zur Begründung des Verwirkungstatbestandes nicht aus. Anders stelle sich der Sachverhalt mit der falschen Verdächtigung dar. Die Ehefrau halte nach wie vor ihre Version der Vorfälle seit dem Jahre 1997 aufrecht. Dieses Verhalten habe nach einem ärztlichen Befundbericht wesentlich zur Dienstunfähigkeit des Ehemannes beigetragen. Unter Berücksichtigung dessen hielt das OLG es nach Abwägung aller Umstände für geboten, den Unterhaltsanspruch der Ehefrau um 50 % zu reduzieren.
Hinweis
Grundsätzlich haben die Verwirkungstatbestände des § 1579 BGB nur Auswirkungen auf den künftigen Unterhalt. Im Fall einer besonders schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen kann jedoch auch eine Verwirkung bereits aufgelaufener Unterhaltsrückstände in Betracht kommen (BGH v. 12.11.2003 - XII ZR 109/01 = FamRB 2004, 178).
Bei Vorliegen eines Härtegrundes gem. § 1579 BGB ist stets zu berücksichtigen, dass darüber hinaus das Tatbestandsmerkmal der groben Unbilligkeit vorliegen muss. Dies erfordert eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls, wobei neben der Schwere der Verletzungshandlung und dem Verhalten des anderen Ehegatten auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien und die Dauer der Ehe zu berücksichtigen sind.
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 18.12.2006, 15 UF 104/05