Leitsatz
Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage, ob ein kompensationslos vereinbarter Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, wenn die Ehefrau bei Abschluss des Vertrages schwanger ist und die Ehegatten bewusst in Kauf nehmen, dass sie wegen der Kindesbetreuung alsbald aus dem Berufsleben ausscheiden und bis auf weiteres keine eigenen Versorgungsanrechte erwerben wird.
Sachverhalt
Die Parteien hatten am 14.8.1992, einen Tag vor ihrer Eheschließung, einen notariellen Ehe- und Erbvertrag geschlossen, in dem sie u.a. Gütertrennung und den Ausschluss des Versorgungsausgleichs vereinbarten. Ferner verpflichtete sich die schwangere Frau, Untersuchungen vornehmen zu lassen, um festzustellen, ob der Ehemann Vater des noch ungeborenen Kindes sei.
Der Ehemann war zum damaligen Zeitpunkt Assistenzarzt, die Ehefrau arbeitslose Gymnasiallehrerin, die eine Stelle als Exportsachbearbeiterin angenommen hatte.
Hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts vereinbarten die Eheleute in dem Ehevertrag, dass die Ehefrau zunächst die Kinderbetreuung übernehmen und ihre ursprüngliche oder andere berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen sollte, sobald das Kind einer ganztägigen Betreuung nicht mehr bedurfte. Auf weitergehenden nachehelichen Unterhalt wurde wechselseitig verzichtet.
Der Abschluss des Ehevertrages war für den Ehemann Voraussetzung der Eheschließung. Er hatte den Vertrag selbst entworfen und dem Notar zur Überarbeitung übergeben.
Die Ehefrau befand sich bis 1995 in Erziehungsurlaub. Danach bezog sie Arbeitslosengeld und übernahm ab dem Jahre 1999 Krankheitsvertretungen im Lehramt. Seit September 2002 war sie als Studienassessorin im Lehramt tätig.
Auf den am 29.7.2003 zugestellten Scheidungsantrag hat das FamG die Ehe durch Verbundurteil vom 14.10.2004 geschieden. Das AG hat den Ehevertrag für unwirksam angesehen und den Versorgungsausgleich durchgeführt.
Mit seiner Beschwerde machte der Ehemann geltend, der Versorgungsausgleich sei durch den Ehevertrag wirksam ausgeschlossen. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wandte sich der Ehemann mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
Sein Rechtsmittel führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
Entscheidung
Der BGH ließ dahinstehen, ob der Ehevertrag insgesamt als sittenwidrig anzusehen sei. Jedenfalls sei dem vereinbarten Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 138 Abs. 1 BGB die Anerkennung der Rechtsordnung zu versagen. Es handele sich hierbei um eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung, was zur Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB führe. An die Stelle des unwirksamen Ausschlusses hätten die gesetzlichen Regelungen mit der Folge der Durchführung des Versorgungsausgleichs zu treten.
Die Schwangerschaft der Ehefrau führe dabei zu einer ungleichen Verhandlungsposition. Zu einer Sittenwidrigkeit führe sie jedoch nur dann, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen würden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die bestehenden Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt werde.
Hinzu kämen die Zweifel an der Vaterschaft und die wirtschaftliche Situation der Frau, die ohne den wirtschaftlichen Rückhalt der Ehe als ungelernte Kraft und ledige Mutter einer ungesicherten wirtschaftlichen Zukunft entgegengesehen habe. Der Versorgungsausgleich sei als gleichberechtigte Teilhabe beider Ehegatten an beiderseits erworbenem Versorgungsvermögen einerseits dem Zugewinnausgleich verwandt und deshalb ehevertraglicher Disposition grundsätzlich zugänglich.
Andererseits sei er als vorweggenommener Altersunterhalt zu verstehen und damit der vertraglichen Abbedingung nicht schrankenlos geöffnet. Der Unterhalt wegen Alters gehöre zum Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts. Ihm messe das Gesetz als Ausdruck ehelicher Solidarität besondere Bedeutung zu. Durch die beabsichtigte Rollenverteilung habe die Ehefrau außer den Kindererziehungszeiten keine eigenen Versorgungsanrechte erwerben können. Eine spätere Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit in ihrem bisherigen Betrieb sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages unsicher gewesen.
Hinweis
Eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich, die ehebedingte Nachteile mit sich bringt, die nicht angemessen kompensiert werden, steht unter dem drohenden Schwert der Sittenwidrigkeit. Wird hingegen erst später das gewählte Ehemodell verfehlt, ist in der Regel nach der Rechtsprechung des BGH der Ehevertrag dahingehend anzupassen, dass er sich auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile beschränkt (vgl. insoweit BGH vom 6.10.2004 in FamRZ 2005, 185 ff.).
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss v...