Leitsatz
Das AG hatte mit Beschluss vom 29.10.2009 die Anträge der Antragstellerin auf Zuweisung der Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zusammen mit der Tochter der Parteien, ein Betretungsverbot für den Antragsgegner und dessen Verpflichtung zur Herausgabe sämtlicher Schlüssel zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen darauf abgestellt, dass es der Antragstellerin nicht gelungen sei, dass von ihr behauptete Fehlverhalten des Antragsgegners glaubhaft zu machen. Der unstreitigen Verbringung einzelner Gegenstände aus der Ehewohnung durch den Antragsgegner fehle jedenfalls das erforderliche Gewicht, so dass hieraus eine unbillige Härte nicht hergeleitet werden könne.
Gegen diese Beschlüsse wandte sich die Antragstellerin mit der Beschwerde. Ihr Rechtsmittel war erfolgreich.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Nach Auffassung des OLG lagen die Voraussetzungen für die begehrte Wohnungszuweisung nach § 1361b Abs. 1 BGB vor.
Die Antragsgegnerin müsse sich an den in dem vorangegangenen Gewaltschutzverfahren der Parteien geschlossenen Vergleich und die Aufteilung der Ehewohnung nicht mehr festhalten lassen. Eine Aufteilung im Rahmen des Verfahrens nach § 1361b BGB könne danach nur ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn die Wohnverhältnisse so großzügig bemessen seien, dass mit einem Zusammentreffen der zerstrittenen Partner entweder nicht zu rechnen sei oder sich die Ehepartner wenigstens im Interesse der Kinder zu arrangieren bereit seien und ein Mindestmaß an gegenseitiger Rücksichtnahme walten ließen (Johannsen/Henrich-Götz, Familienrecht, 5. Aufl., § 1361b Rz. 30 m.w.N.).
Diese für einen Erstantrag auf Wohnungszuweisung geltenden Grundsätze müssten dann erst recht zum Tragen kommen, wenn eine vorangegangene Aufteilung der Wohnung gescheitert sei, weil ein in diesem Sinne erträgliches Nebeneinander der Parteien schlicht nicht gewährleistet sei.
Es sei nicht erforderlich, dass das Fehlverhalten ausschließlich vom anderen Ehepartner ausgehe. Die Zuweisung an einen Ehepartner sei tatsächlich selbst dann möglich, wenn die Auseinandersetzungen nicht überwiegend auf das Verhalten des anderen zurückzuführen seien. Die Eingriffsschwelle sei nur höher anzusetzen, wenn auch von dem die Zuweisung begehrenden Ehepartner Provokationen ausgegangen seien. Hätten beide Ehepartner gleichermaßen dazu beigetragen, die Wohnsituation unerträglich zu gestalten, komme es darauf an, welchen Ehepartner der Verlust der Wohnung persönlich oder beruflich härter treffe und welcher Ehepartner wirtschaftlich eher in der Lage sei, eine angemessene Ersatzwohnung zu finden (Johannsen/Henrich-Götz , a.a.O., Rz. 25). Im konkreten Fall könne nach Aktenlage und unter Berücksichtigung der beigezogenen Akten des vorangegangenen Gewaltschutzverfahrens und der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft jedenfalls festgestellt werden, dass die Wohnsituation "unerträglich" geworden sei und einer Auflösung bedürfe.
Unabhängig von der Frage des konkreten Beitrages jedes Ehepartners zu dieser Situation müsse danach jedenfalls festgestellt werden, dass die Lage eskaliert sei, die Atmosphäre von schwerem Misstrauen bzw. nahezu Hass geprägt sei und die Parteien sich faktisch nur noch belauerten und erheblicher Vergehen verdächtigten.
Ein erträgliches Nebeneinander in dem Familienhausgrundstück sei objektiv nicht mehr möglich, zumal auch die räumlichen Voraussetzungen mit der gemeinschaftlichen Nutzung der Küche für ein dauerhaftes Getrenntleben von vornherein nicht optimal seien.
Auch im Interesse der gemeinsamen Tochter der Parteien sei die begehrte Wohnungszuweisung vorzunehmen. Die heute 10-jährige Tochter müsse die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit zwischen den Parteien als besondere Bedrohung wahrnehmen, unabhängig davon, dass sie - wie jedes Kind - unter der Trennung ihrer Eltern ohnehin leide. Zum Wohl des Kindes sei daher die von Misstrauen, gegenseitigen Schuldvorwürfen und Ablehnung geprägte häusliche Atmosphäre durch die hier erfolgte Wohnungszuweisung aufzulösen.
Link zur Entscheidung
Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 10.06.2010, 9 UF 142/09