Leitsatz
a) Die Rechtskraft eines Urteils, mit dem eine auf Eigenbedarf gestützte Kündigung des Vermieters mit der Begründung abgewiesen wird, die Kündigung sei im Hinblick darauf, dass der Mieter bei Abschluss des Mietvertrags nicht auf den bereits absehbaren Eigenbedarf hingewiesen worden sei, "jedenfalls zum fraglichen Zeitpunkt rechtsmissbräuchlich", steht einer erneuten Eigenbedarfskündigung nicht entgegen.
b) Weist der Vermieter anlässlich der Novation eines langjährigen Mietvertrags nicht auf einen möglichen Eigenbedarf für seine erwachsene Tochter hin, steht einer Kündigung des Vermieters, mit der das Mietverhältnis zum Ablauf von rund vier Jahren nach der Erneuerung des Mietvertrags beendet werden soll, nicht der Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegen.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Normenkette
BGB §§ 242, 542, 573 Abs. 2 Nr. 2
Kommentar
Zwischen den Parteien bestand seit dem 17.8.1994 ein Mietvertrag über eine in Berlin gelegene Wohnung. Dieser Vertrag wurde im September 1999 durch einen auf vier Jahre befristeten Zeitmietvertrag ersetzt. Vor Ablauf der vierjährigen Vertragszeit schlossen die Parteien am 24.11.2003 wiederum einen neuen unbefristeten Mietvertrag. Der Vermieter hat das Mietverhältnis durch Schreiben vom 26.11.2004 zum 31.8.2005 wegen Eigenbedarfs für seine Tochter gekündigt. Hierzu hat er geltend gemacht, dass seine Tochter im Sommer 2005 ihr Studium abschließe und nach Berlin zurückkehre; dort benötige sie eine Wohnung. Die auf diese Kündigung gestützte Räumungsklage hat das Gericht durch Urteil vom 2.11.2005 als "zum fraglichen Zeitpunkt rechtsmissbräuchlich" abgewiesen: Der Vermieter habe es versäumt, den Mieter beim Abschluss des neuen Mietvertrags vom 24.11.2003 auf den in absehbarer Zeit eintretenden Bedarf der Tochter hinzuweisen. Mit Schreiben vom 6.12.2006 hat der Vermieter erneut wegen Bedarfs für seine Tochter gekündigt. Er hat hierzu ausgeführt, dass die Tochter nunmehr in der elterlichen Wohnung lebe. Diese habe nur 2 1/2 Zimmer und sei für drei Personen zu klein. Die Instanzgerichte haben die auf die Kündigung vom 6.12.2006 gestützte Klage erneut abgewiesen: Das Gericht habe über den Kündigungsgrund bereits mit Urteil vom 2.11.2005 entschieden. Die dort für die Klageabweisung angeführten Gründe seien weiterhin gegeben.
Der BGH hat das Urteil aufgehoben.
1. Zu Leitsatz a)
Hat das Gericht eine Räumungsklage abgewiesen, kann der Vermieter nach der obergerichtlichen Rechtsprechung eine erneute Kündigung wegen derselben Gründe aussprechen und wiederum Räumungsklage erheben. Auf die Gründe der Klageabweisung kommt es dabei grundsätzlich nicht an. Die Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung steht der erneuten Klageerhebung nicht entgegen. Vielmehr erschöpft sich die Rechtskraftwirkung in der Feststellung, dass das Mietverhältnis durch die der Klage zugrunde liegende Kündigung nicht beendet worden ist (BVerfG, Beschluss v. 30.9.2003, 1 BvR 2388/02, NJW 2003, 3759; BGH, Urteil v. 10.9.1997, XII ZR 222/95, NJW 1998, 374).
Im Ausnahmefall kann eine erneute Kündigung allerdings rechtsmissbräuchlich sein, wenn sie ausschließlich auf solche Gründe gestützt wird, die bereits Gegenstand des Vorprozesses waren. Die Annahme des Rechtsmissbrauchs setzt voraus, dass die vorangegangene Kündigung im Vorprozess aus materiellrechtlichen Gründen für unwirksam erachtet wurde und dass seit dem Ausspruch dieser Kündigung keine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist.
Diese Grundsätze werden in der vorliegenden Entscheidung dahingehend konkretisiert, dass eine auf denselben Eigenbedarf gestützte Zweitklage jedenfalls dann möglich ist, wenn die Erstklage lediglich als zurzeit unbegründet abgewiesen wurde. Dabei ist nicht erforderlich, dass dieser Zusatz im Tenor des Urteils zum Ausdruck kommt; es genügt, wenn sich dies aus den Urteilsgründen ergibt.
2. Zu Leitsatz b)
In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (LG Münster, Urteil v. 31.1.1990, 1 S 397/89, NJW-RR 1990, 1354; LG Berlin, Urteil v. 28.11.1997, 63 S 237/97, NZM 1998, 433; LG Frankfurt/M., Urteil v. 5.10.2007, 2/11 S 317/06, WuM 2007, 635) und in der Literatur (Blank in: Schmidt-Futterer, § 573 BGB Rdn. 133 ff.; Rolfs in: Staudinger (2006), § 573 BGB Rdn. 106; Lammel, Wohnraummietrecht, § 573 BGB Rdn. 86; Häublein in: MüKomm, § 573 Rdn. 73; Schach in: Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, § 573 BGB Rdn. 26; Herrlein in: Herrlein/Kandelhard, § 573 BGB Rdn. 42 jew. m. w. N.) wird durchweg die Ansicht vertreten, dass eine Eigenbedarfskündigung ausgeschlossen ist, wenn der Vermieter bereits beim Abschluss des Mietvertrags mit einem späteren Bedarf rechnen musste. Das BVerfG hat diese Ansicht als verfassungsrechtlich unbedenklich bezeichnet (BVerfG, Urteil v. 14.2.1989, 1 BvR 356/88, NJW 1989, 970 unter Ziff. C II 3; BVerfG, Beschluss v. 19.7.1993, 1 BvR 501/93, NJW-RR 1993, 1357 unter Ziff. III 1 b). In diesen Entscheidungen ist ausgeführt, dass die genannte Auffassung ihre Rechtfertigung in dem auf § 242 BGB zurückz...