Den Rechtsentscheiden des BayObLG vom 2.3.1982 und des OLG Hamm vom 24.7.1986 ist zu entnehmen, dass es ausreicht, wenn die Gründe für den Eigenbedarf spätestens bei Beendigung des Mietverhältnisses mit einiger Sicherheit vorliegen. Ein Vorliegen bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung kann nicht gefordert werden. Daher kann eine Eigenbedarfskündigung auch schon vor der Geburt eines Kindes mit dem dadurch bedingten erhöhten Wohnbedarf begründet werden.
Nach dem Rechtsentscheid des BayObLG (a. a. O.) hat ein 82-jähriger Vermieter regelmäßig bereits dann ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, wenn aufgrund äußerer Umstände mit einiger Sicherheit damit gerechnet werden kann, dass er die Dienste einer in seinen Hausstand aufzunehmenden Hilfsperson in naher Zukunft für seine Lebensführung (Pflege und Betreuung) benötigt. Zumindest bei längerer Kündigungsfrist ist dies auch dann anzuerkennen, wenn die Personen, deren Dienste in Anspruch genommen werden sollen, bei Vornahme der Kündigung noch nicht feststehen, d. h., dass zumindest in diesem Fall eine konkrete Pflegeperson im Kündigungsschreiben nicht benannt werden muss. Insofern muss der Vermieter daher nicht abwarten, bis der Bedarfsfall eingetreten ist; er kann auch für den Zeitpunkt des voraussichtlichen Eintritts kündigen, wenn der Bedarfsgrund schon konkretisierbar und sein Eintritt absehbar ist.
Kündigung "auf Vorrat" ist unzulässig
Dagegen ist eine "Vorratskündigung", mit der nicht ein mit einiger Sicherheit eintretender, sondern nur ein wahrscheinlicher künftiger Eigenbedarf geltend gemacht wird, unzulässig. Darunter fällt z. B. eine Kündigung, weil
- die Vergrößerung der Familie "geplant" ist oder
- die Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Eigenbedarfsperson befürchtet wird, ohne dass dafür konkrete Anhaltspunkte vorliegen.
Daher rechtfertigt ein – auf vernünftige und nachvollziehbare Gründe gestützter – Eigennutzungswunsch die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs nur dann, wenn er vom Vermieter auch ernsthaft verfolgt wird und bereits hinreichend bestimmt und konkretisiert ist, d. h., der Nutzungswunsch muss sich so weit "verdichtet" haben, dass ein konkretes Interesse an der baldigen Eigennutzung besteht. Ein gegenwärtig noch nicht absehbarer Nutzungswunsch einer Eigenbedarfsperson ist für eine Kündigung nicht ausreichend.
Dies ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, da keine unverhältnismäßige, mit Art. 14 GG unvereinbare Zurückstellung der Eigentümerbefugnisse vorliegt, wenn dem Eigentümer der Zugriff auf das vermietete Objekt erst dann gestattet ist, wenn und soweit dieser durch gegenwärtige beachtliche Gründe motiviert ist.
Gegenwärtige beachtliche Gründe
Solche sind gegeben, wenn der im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht pflegebedürftige Vermieter die Wohnung einer Person überlassen will, die ihn bei Eintritt des Pflegefalls versorgt und objektive Anzeichen wie hohes Alter, vorausgegangene Erkrankungen, Fehlen von im Hause oder in der Nähe wohnenden Angehörigen die Notwendigkeit rechtzeitiger Vorsorge rechtfertigen.
Gegenwärtige beachtliche Gründe liegen auch vor, wenn der Vermieter erwarten muss, dass sein berufliches Arbeitsverhältnis altersbedingt kurzfristig durch Entlassung beendet werden kann und er Vorsorge für seinen künftigen Wohnsitz dadurch treffen will, dass er eine geeignete, vermietete Wohnung mit der Eigenbedarfskündigung beansprucht.
Weist das Mietgericht eine Räumungsklage ab, weil es der Ansicht ist, dass die vom Vermieter angeführten Kündigungsgründe derzeit, d. h. im Zeitpunkt der letzten Verhandlung, nicht vorliegen, steht die Rechtskraft eines solchen Urteils einem erneuten, auf eine neue Kündigung gestützten Räumungsprozess mit identischem Klageantrag nicht entgegen.