Leitsatz
Hat der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum wegen Eigenbedarfs gekündigt und fällt der geltend gemachte Grund nachträglich weg, so ist dies nur dann zu berücksichtigen, wenn der Grund vor dem Ablauf der Kündigungsfrist entfallen ist. In diesem Fall ist der Vermieter zu einer entsprechenden Mitteilung an den Mieter verpflichtet.
Fakten:
Die Parteien streiten um Schadensersatz nach einer Eigenbedarfskündigung des Vermieters. Mit Schreiben vom 23.11.1999 kündigte der Vermieter wegen Eigenbedarfs mit der Begründung, er benötige die Wohnung für seine Schwiegermutter. Der Mieter widersprach der Kündigung. Im anschließenden Räumungsprozess wurde der Mieter zur Herausgabe der Wohnung verurteilt. In der nächsten Instanz wurde dem Mieter eine Räumungsfrist eingeräumt. Noch vor Ablauf dieser Frist starb die Schwiegermutter. Als der Mieter von dem Tod der Schwiegermutter erfuhr, klagte er auf Ersatz des Räumungsschadens in Form der Aufwendungen für den Umzug und die Anmietung von Lagerflächen sowie für die höhere Miete für die neue Wohnung in Höhe von insgesamt 13.407,75 Euro. Der BGH gibt in letzter Instanz dem Vermieter Recht: Der Mieter hat keinen Anspruch auf Schadensersatz. Der Wegfall des zunächst vorhandenen Eigenbedarfs soll nur dann berücksichtigt werden, wenn er bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eingetreten ist. Auszugehen ist zunächst von dem Grundsatz, dass der Vermieter verpflichtet ist, die Folgen einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung für den Mieter so gering wie möglich zu halten. Diese gesteigerte Pflicht zur Rücksichtnahme beruht auf der besonderen Bedeutung, die der Wohnung als Mittelpunkt der persönlichen Existenz eines Menschen zukommt und dem Besitzrecht des Mieters einen eigentumsgleichen Rang im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG verleiht. Daraus folgt, dass eine Eigenbedarfskündigung nur wirksam bleibt, wenn die Gründe, welche den Eigenbedarf begründen, bis zum Eintritt der Rechtswirkungen der Kündigung bestehen bleiben. Fällt der geltend gemachte Eigenbedarf des Vermieters vor dem Ablauf der Kündigungsfrist weg, ist ein Festhalten an der Kündigung rechtsmissbräuchlich. Ist die Kündigung wirksam geworden, erlischt das Mietverhältnis und damit das Besitzrecht des Mieters. Die Pflicht des Vermieters zur Mitteilung des Wegfalls des Eigenbedarfsgrundes endete also mit dem Ablauf der Kündigungsfrist. Zu dieser Zeit bestand der Wohnbedarf noch.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 09.11.2005, VIII ZR 339/04
Fazit:
Die Frage, ob und in welchen zeitlichen Grenzen der Wegfall des ursprünglich gegebenen Kündigungsgrundes des Eigenbedarfs sich auf den Räumungsanspruch des Vermieters auswirkt, war umstritten und wurde durch diese Entscheidung geklärt. Vielfach hatten die Gerichte eine Eigenbedarfskündigung auch noch dann für unwirksam erklärt, wenn während des Räumungsprozesses der Grund für den Eigenbedarf wegfiel. Die BGH-Entscheidung hat nun klargestellt, dass der Wegfall des Eigenbedarfs nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung führt.