Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 13 Abs. 1 WEG, § 14 Nr. 1 WEG, § 94 BGB, § 242 BGB, § 249 BGB, § 251 Abs. 2 BGB, § 1004 BGB
Kommentar
1. Der Eigentümer einer EG-Wohnung mit kleinem vorgelagertem Garten (Sondernutzungsrecht) hatte an einem Wochenende trotz vorheriger warnender Hinweise einer Miteigentümerin im 1. Stock mit Balkon zu diesem Garten hin eigenmächtig eine in seinem Garten stehende, etwa 12 m hohe Birke gefällt und diese Maßnahme nachträglich damit begründet, dass außer der Eigentümerin im 1. Stock die anderen Miteigentümer einverstanden gewesen seien, dass der Baum in jetziger Wuchshöhe erheblichen Schatten in seinem kleinen Garten werfe, die Wiese vermoose und durch fallende Blätter und Zweige erhebliche Gartenarbeit verursache.
Die Eigentümerin im 1. Stock forderte als Antragstellerin Ersatzpflanzung einer Birke gleicher Höhe und gleichen Umfangs. Sie berief sich auf Überschreitung der Kompetenzen des Garteninhabers, optische Benachteiligung durch die Veränderung des Gemeinschaftseigentums (schöner Blick vom Balkon aus in die Baumkrone, die zudem Straßenlärm abgeschirmt und einen hässlichen Blick auf gegenüber der Straße stehende Gebäude bzw. eine Garage verhindert habe). Der Wiederherstellungsanspruch wurde auch begründet mit dem Argument nachteiliger baulicher Veränderung des Gemeinschaftseigentums sowie Schadenersatzpflicht aus unerlaubter Handlung (Sachbeschädigung des Gemeinschaftseigentums). Der Baum sei i.Ü. bereits bauseits vor vielen Jahren gepflanzt worden, während der Antragsgegner (Garteninhaber) seine Wohnung erst im Jahr 1991 erworben hatte.
2. Während das AG den Anspruch auf Ersatzbepflanzung bejahte, gab das LG in der Erstbeschwerdeinstanz dem Beschwerdeführer Recht. Nach Meinung der Kammer sei die Entfernung der Birke zwar eine bauliche Veränderung, die über ordnungsgemäße Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums hinausgehe. Die Rechte der Antragstellerin seien aber nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt; auch könne nicht von wesentlicher Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks der Anlage mit ohnehin unregelmäßiger Bepflanzung gesprochen werden. Auch wenn die Antragstellerin nach eigener Bekundung an der Birke gehangen habe, sei dieses "Affektionsinteresse" gering einzustufen. Vielmehr sei der Antragsgegner durch die Schattenbildung in seinem kleinen (nur etwa 50 qm großen) Garten erheblich beeinträchtigt gewesen. Ein Auslichten des Baumes und das Absägen von Ästen hätten insoweit keine wesentliche Besserung gebracht. Hinzu komme, dass bei weiterem Wachsen der Birke (ohne die Fällaktion) Beeinträchtigungen noch zugenommen hätten.
3. Auf Rechtsbeschwerde hin hob der Senat die landgerichtliche Entscheidung auf und stellte im wesentlichen den Tenor des amtsgerichtlichen Beschlusses wieder her.
Der Antragsgegner wurde nach § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG verpflichtet, erneut eine Birke gleicher Höhe und gleichen Umfangs anzupflanzen.
Er hätte durch das Fällen gemeinschaftliches Eigentum verletzt. Sein Sondernutzungsrecht habe ihm keine Ermächtigung für diese eigenmächtig durchgeführte Maßnahme gegeben. Die Antragstellerin war auch nicht zur Duldung dieser Veränderung der Gartengestaltung verpflichtet. Dabei ließ der Senat offen, ob das Abholzen eines Baumes (wesentlicher Bestandteil des Grundstücks) als bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG angesehen werden kann.
Sondergenutzte Gartenflächen können grundsätzlich bepflanzt werden ( § 13 Abs. 1 WEG). Allerdings bestehen auch hier die Einschränkungen nach § 14 Nr. 1 WEG (vgl. BayObLG, WE 93, 115; WE 95, 345; OLG Düsseldorf, WE 94, 374); gleiches gilt für die Entfernung von Pflanzen.
Im vorliegenden Fall bestand zwar keine gemeindliche Baumschutzverordnung. Durch das Fällen des hohen Baumes erwuchs der Antragstellerin dennoch ein nicht duldungspflichtiger Nachteil, was das LG rechtsirrig verkannt hat. Bereits nach erstem Anschein sind Grenzen zulässiger Mitgebrauchsrechte des gemeinschaftlichen Eigentums jedenfalls dann überschritten, wenn - wie hier - ein im gemeinschaftlichen Eigentum stehender Baum ( § 94 BGB) eigenmächtig beseitigt wird (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.). Dass die bereits bei Kauf der Wohnung durch den Antragsgegner vorhandene Birke zwischenzeitlich weiter gewachsen ist, war für diesen bereits bei Erwerb ihrer Wohnung erkennbar. In einem solchen Fall ist dem Bestandsschutz einer vorhandenen Bepflanzung grundsätzlich Vorrang einzuräumen vor dem Interesse eines Eigentümers, der in Kenntnis einer solchen vorhandenen Bepflanzung Eigentum erworben hat und sich nunmehr insbesondere darauf beruft, er werde durch die Bepflanzung wegen Schattenbildung beeinträchtigt. Vorgelegte Fotografien beweisen auch die Berechtigung der Argumentation der Antragstellerin (insbesondere Sicht- und Lärmschutz durch die Baumkrone). Damit könne auch nicht lediglich von einem nur gering einzustufenden "Affektionsinteresse" gesprochen werden, vielmehr von ganz erheblichen Interessen auf Erhalt des Baumes. Eine gänzlich...