Leitsatz

  • Eigenmächtiger Fensteraustausch in leicht veränderter Form vorliegend keine nachteilige bauliche Veränderung

    Objektive Beurteilung der Nachteilswirkung bei behaupteter Beeinträchtigung des harmonischen Gesamteindrucks eines Gebäudes

    Zum Geschäftswert und Beschwerdewert im Falle solcher baulichen Veränderungen

 

Normenkette

§ 14 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 48 Abs. 2 WEG, § 27 FGG, § 265 ZPO

 

Kommentar

Zum Sachverhalt und Verfahren:

Ein Eigentümer (zugleich der Verwalter und auch seinerzeitige Bauträger) hatte in seiner Wohnung ein altes Fenster mit einer senkrechten Sprosse im größeren Fensterteil durch ein neues, dreigeteiltes Fenster ohne Zustimmung anderer Eigentümer ersetzt. Das Amtsgericht wies nach Augenscheinseinnahme den Antrag eines Miteigentümers auf Entfernungsverpflichtung des neuen Fensters und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zurück, da der architektonische Gesamteindruck des Hauses durch diese bauliche Veränderungsmaßnahme nicht nachteilig betroffen sei. Den Geschäftswert bestimmte das Amtsgericht auf 800 DM, das LG verwarf die Erstbeschwerde als unzulässig unter Hinweis darauf, dass die Beschwer des antragstellenden Miteigentümers unter 1.500 DM liege (bei Geschäftswertansatz von 800 DM). Das BayObLG wies die Rechtsbeschwerde des Antragstellers bei korrigiert höher angesetztem Geschäfts- und Beschwerdewert nicht als unzulässig, sondern als unbegründet zurück.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Durch die Veräußerung einer Eigentumswohnung verliert der bisherige Antragsgegner nicht die Stellung als Verfahrensbeteiligter, solange nicht ein Erwerber mit Zustimmung der übrigen Beteiligten ein Verfahren übernommen hat; § 265 ZPO ist insoweit analog anzuwenden; wenn ab Veräußerung ein Antragsgegner nunmehr in Verfahrensstandschaft für den Erwerber handelt, wird dieser nicht weiterer Verfahrensbeteiligter.

2. Eine Rechtsbeschwerde ist ohne Rücksicht auf die Beschwer eines Antragstellers zulässig; dies folgt schon aus der Verwerfung einer Erstbeschwerde als unzulässig.

3. Die Beschwer des Antragstellers ist im vorliegenden Fall höher als 1.500 DM anzusetzen. Richtig ist, dass sich die Beschwer allein nach dem Interesse des Beschwerdeführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung richtet, die im vorliegenden Fall nicht sehr hoch sein kann und sich ziffernmäßig kaum begründen lässt. Allerdings kann auch nicht nur auf den möglichen Wertverlust der Wohnung eines Antragstellers abgestellt werden, wenn dieser eine nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindruckes der Wohnanlage geltend macht. Zur Bestimmung der Beschwer können vielmehr auch vergleichbare, vom Senat entschiedene Fälle herangezogen werden (auf 800 DM hat der Senat in solchen und ähnlichen Fällen einen Geschäftswert oder eine Beschwer noch nicht festgelegt).

So bestimmte der Senat in einem Verfahren auf Beseitigung einer Markise den Geschäftswert auf 1.000 DM ( BayObLG, Beschluss vom 30.05.1990, BReg 2 Z 57/90), im Verfahren auf Beseitigung einer Funkantenne auf 2.000 DM ( BayObLG, Beschluss v. 14.11.1992, 2Z BR 123/93), im Beschlussanfechtungsverfahren auf Beseitigung von zwei Außenrollläden auf 5.000 DM, da es an konkreten, in Geld messbaren Anhaltspunkten weitgehend gefehlt habe ( BayObLG, Beschluss vom 09.06.1993, 2Z BR 27/93), auf 5.000 DM für die Anfechtung eines Beschlusses, mit dem der Umbau eines Fensters in eine Tür genehmigt worden war ( BayObLG, Beschluss v. 09.06.1993, 2Z BR 27/93).

Es entspricht i. ü. mehr rechtsstaatlichen Grundsätzen, in Zweifelsfällen, zu denen auch solche gehörten, in denen die Bestimmung des Geschäftswertes oder der Beschwer mangels konkreter Anhaltspunkte weitgehend Ermessenssache sei, von der Zulässigkeit eines Rechtsmittels auszugehen und in der Sache zu entscheiden.

4. Ist ein Verfahren ohne weitere Ermittlungen entscheidungsreif, so kann das Rechtsbeschwerdegericht auch dann selbst in der Sache entscheiden, wenn das Landgericht die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen hat. Der Senat tritt damit an die Stelle der Tatsachengerichte; er kann den Sachverhalt anhand des gesamten Akteninhaltes selbständig würdigen.

5. "Nachteil" im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG, § 14 Nr. 1 WEG kann auch eine nicht ganz unerhebliche negative Veränderung des optischen Gesamteindruckes einer Wohnanlage sein (h. M.); dies ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen. Der weitergehenden Ansicht, dass jede Änderung des architektonischen Erscheinungsbildes eine über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinausgehende Beeinträchtigung sei, kann nicht gefolgt werden; diese Ansicht ist auch mit der Rechtsprechung des BGH nicht vereinbar.

Von einer Störung des optischen Gesamteindruckes durch die zusätzliche senkrechte Fensterunterteilung kann im vorliegenden Fall schon deshalb keine Rede sein, weil das Haus auf der Südseite ohnehin alles andere als einen einheitlichen Eindruck macht (was in den Gründen näher dargelegt wird). Wenn antragstellerseits darauf hingewiesen werde, dass ein grundlegender Bestandteil architektonischer Ha...

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