Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Ein Mehrheitsbeschluss, anfänglich u.a. grau gestrichene Garagentore nunmehr "in Blau" streichen zu lassen, entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung und stellt keine nachteilige bauliche Veränderung dar
Normenkette
(§ 21 Abs. 3 WEG)
Kommentar
1. Eine Gemeinschaft hatte mehrheitlich beschlossen, im Anschluss an Ausbesserungsarbeiten das Eingangsgeländer, die Garagentore und das Gartentor "in Blau" durch eine zu beauftragende Fachfirma streichen zu lassen. Das Haus aus den 70er Jahren war sandfarbig verputzt; angebaute Garagentore waren grau gestrichen.
Die Beschlussanfechtung wurde in allen drei Instanzen zurückgewiesen.
2. Der Beschluss genügt den Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz; gleichwohl wenn das Farbspektrum "Blau" verschiedene Blautöne umfasst. Somit ist der Beschluss der Gemeinschaft insoweit allein als Grundsatzbeschluss auszulegen; danach bleibt die genaue Farbwahl – ggf. nach einem Probeanstrich mit verschiedenen Farbmustern – einem weiteren Beschluss der Eigentümer vorbehalten.
Der beschlossene blaue Anstrich der Garagentore stellt keine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG dar. Diese Instandhaltungsmaßnahme ist keine gegenständliche Umgestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. U.U. kann zwar eine Farbänderung, die den optischen Gesamteindruck einer Fassade spürbar verändert, eine bauliche Veränderung sein; dies würde jedoch voraussetzen, dass die Farbänderung ein besonderes, auf Dauer angelegtes gestalterisches Element beinhaltet. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Zum einen betrifft der beschlossene Blauanstrich nicht die gesamte Hausfassade, sondern nur die drei Garagentore und damit einen untergeordneten Teil der Gesamtfassade; der gegenwärtige Zustand ist ohnehin optisch uneinheitlich, da die Garagentore nicht sandfarbig sondern grau gestrichen sind; desweiteren wirkt der Garagenbau insgesamt moderner. Zum anderen stellt der beschlossene Farbanstrich anders als etwa eine bildliche Darstellung oder der Anstrich mit einer "schreienden" Farbe keine derart gravierende Farbänderung dar, die den optischen Gesamteindruck der Fassade spürbar verändern würde. Aufgabe des Gerichts kann es nicht sein, über Geschmacksfragen hinsichtlich der Farbgestaltung zu entscheiden.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die endgültige Bestimmung eines passenden Blautons einem weiteren Eigentümerbeschluss vorbehalten ist. Somit hält sich im Ergebnis der vorliegende Beschluss im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung nach § 21 Abs. 3 WEG, der auch mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden konnte.
Link zur Entscheidung
LG Bonn, Beschluss vom 26.07.2001, 8 T 108/01( LG Bonn, Beschluss v. 26.7.2001, 8 T 108/01, NJW-RR 7/2002, 442)
Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung wurde auch durch Beschluss des OLG Köln v. 17.8.2001, 16 Wx 182/01 zurückgewiesen.
Voll überzeugend erscheint mir dieses Entscheidungsergebnis nicht, da es allein um die Gültigkeitsprüfung des hier gefassten Beschlusses ging; dass hier zusätzlich oder später noch ein weiterer Beschluss beabsichtigt war, die "genaue Farbwahl, ggf. nach einem Probeanstrich mit verschiedenen Farbmustern" vorzunehmen, lässt sich dem geschilderten Sachverhalt und der zitierten Beschlussfassung nicht entnehmen. Ohne die schwierige Grenzziehung zu Farbveränderungen in einer Eigentumswohnanlage mit neuerlich "schreienden" (?) Farben zu einem Diskussionspunkt machen zu wollen, neige ich eher der Auffassung zu, dass im Rahmen von ordnungsgemäßen Instandhaltungsmaßnahmen grundsätzlich ein anfänglicher Farbstrich als status quo in einer Wohnanlage erhalten bleiben muss, wenn einer doch nicht unerheblichen Farbänderung (wie m.E. auch hier) nicht alle Eigentümer zustimmen (alternativ mehrheitlich im Rahmen einer zulässigen sog. Zitterbeschlussfassung). Auch Außenputz und Außenfarbe von gemeinschaftlichen Bauteilen stehen im Gemeinschaftseigentum und können m.E. nicht ohne weiteres im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung (!) – wenn auch nur farblich – geändert werden. Dabei sollte nicht primär auf den sicher nicht eindeutig definierbaren "gegenständlichen Eingriff" in eine Bausubstanz abgestellt werden, zumal bereits ein gerade auch durch Farben geprägter optischer Gesamteindruck einer Anlage im Rahmen der Duldungspflichten (§ 14 Nr. 1 WEG) bei baulichen Änderungen in der Rechtsprechung eine erhebliche Rolle spielt.
Auch Farbabänderungen an außenseitigen gemeinschaftlichen Bauteilen, Anlagen oder Einrichtungen sollten deshalb weitgehend einer Mehrheitsbeschlussfassung entzogen sein. Da der Senat in der Ermessenswertung des LGs keinen Fehler sah, konnte auch die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg haben.