Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 10 WEG, § 23 WEG, § 242 BGB
Kommentar
In einer m. E. rechtlich und auch für die Praxis sehr bedeutsamen Grundsatzentscheidung hat das OLG Hamm erneut zur Differenzierung von Eigentümerbeschlüssen mit Bindungswirkung für Rechtsnachfolger, schuldrechtlichen (einstimmigen) Vereinbarungen ohne nachfolgende Eintragung im Grundbuch und solchen in verdinglichter Form (Grundbucheintragung) einige sicher diskussionswürdige Feststellungen zu einem langjährig streitigen Einzelfall getroffen; die Leitsätze zu dieser Entscheidung lauten wie folgt:
a) Eine schuldrechtliche Vereinbarung der Wohnungseigentümer, die auf eine grundlegende Änderung der Gemeinschaftsordnung gerichtet ist, wird mit ihrem Gesamtinhalt hinfällig, wenn Sondernachfolger in die Gemeinschaft eintreten, die gemäß § 10 Abs. 2 WEG wegen unterbliebener Eintragung als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch an die Vereinbarung nicht gebunden sind.
b) Zu den A nforderungen an die Feststellung eines rechtsgeschäftlichen Eintritts eines Sondernachfolgers in eine schuldrechtliche Vereinbarung der Wohnungseigentümer im Rahmen des Erwerbsvertrages mir seinem Rechtsvorgänger.
c) Die Berufung auf die fehlende Bindungswirkung nach § 10 Abs. 2 WEG durch einen Sondernachfolger ist regelmäßig nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB.
1. Zum Sachverhalt:
Ein Eigentümer beabsichtigte 1989 sein Einfamilienhaus-Sondereigentum in eigenem Baukörper (Anbau) in zwei selbstständige Wohnungen aufzuteilen und zu diesem Zweck einen selbstständigen Zugang für eine Wohnung über ein auf der gemeinschaftlichen Grundstücks-Gartenfläche zu errichtendes Podest zu schaffen.
1989 wurde dann in der Gemeinschaft ein "einstimmiger Beschluss" gefasst mit diversen Regelungen, wie u. a. einer Änderung von Nutzungsvereinbarungen gegen Zahlung eines Geldbetrages durch diesen änderungswilligen Eigentümer in die Gemeinschaftskasse, modifizierter Lasten- und Kostenregelungen in Änderung bisher vereinbarter Kostenverteilungsschlüssel, der Neubegründung von Sondernutzungsrechten an gemeinschaftlichen Bauteilen und Grundstücksflächen sowie diverser baulicher Veränderungen am Gemeinschaftseigentum. Dieser "Beschluss" wurde mangels Anfechtung bestandskräftig; eine Eintragung der Regelung im Grundbuch als Inhalt eines jeden Sondereigentums ( § 10 Abs. 2 WEG) erfolgte allerdings nicht. In der Folgezeit fanden mehrfach Eigentumswechsel statt.
Erst im Jahre 1994 begann der betreffende Eigentümer mit Umbauarbeiten zur Verwirklichung seiner Pläne. Im Eigentümerkreis kam es dann zu Widersprüchen und zum Streit sowie diversen ablehnenden Beschlussfassungen, zuletzt 1994 zu einem weiteren einstimmigen Beschluss, dass der betreffende Eigentümer den ursprünglichen Zustand des Gemeinschaftseigentums wieder herstellen müsse und im Falle einer Weigerung der Verwalter bevollmächtigt werde, einen Anwalt zu beauftragen, nach § 1 WEG die Entziehung des Wohnungseigentums zu beantragen.
Dieser Beschluss wurde von dem betroffenen Eigentümer angefochten; in Antragserweiterung forderte dieser auch von den restlichen Eigentümern die förmliche Begründung eines Sondernutzungsrechts zu seinen Gunsten unter Hinweis und in Vollzug der seinerzeitigen Beschlussfassung von 1989. Er berief sich auf die Bindungswirkung dieses Beschlusses nach § 10 Abs. 3 WEG auch für Sondernachfolger und auf entsprechende Mitwirkungsverpflichtungen an der Eintragung eines entsprechenden Sondernutzungsrechtes im Grundbuch zu seinen Gunsten.
Während das Amtsgericht dem Beschlussanfechtungs- und Mitwirkungsverpflichtungsantrag entsprach, wurden die Anträge vom Landgericht und vom OLG zurückgewiesen.
2. Aus den Gründen der OLG-Entscheidung:
2.1 Die 1989 "beschlossene" Regelung war hier nicht als Beschluss im Sinne des § 10 Abs. 3 WEG zu qualifizieren, sondern als (allein schuldrechtliche) Vereinbarung nach § 10 Abs. 2 WEG, mit der Folge, dass Sonderrechtsnachfolger an diese Regelungen nicht gebunden seien, weil diese nicht als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen worden seien. Die Frage, ob eine einstimmige Eigentümerregelung einen Eigentümerbeschluss oder eine Vereinbarung darstellt, richtet sich nicht maßgebend nach der äußeren Form, insbesondere der Wahl des Wortes "beschließen". Entscheidend ist vielmehr der inhaltliche Gegenstand eines Beschlusses, also die Frage, ob eine Regelung ihrem Gegenstand nach einem Mehrheitsbeschluss zugänglich ist oder sachlich eine Änderung der Gemeinschaftsordnung betrifft, die nur durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer getroffen werden kann ( BayObLGZ 91, 165, 171; NJW-RR 1990,1102). Abzustellen ist insoweit auf den Gesamtinhalt der getroffenenRegelung. Vorliegend ergibt die Auslegung der 1989 getroffenen Regelung, dass es sich um eine solche mit Vereinbarungscharakter handelt (unter Hinweis auf den Inhalt der umfangreichen Regelungen, wie geänderter Kosten- und Lastenverteilung, Sondernutzungsrechtsbegründung und bauliche Veränderungen).
2.2 Es ist rechtlich auch ausgeschlossen, aus dem Gesa...