Dr. Alexander Becker, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Eine nationale Regelung eines Mitgliedstaates, wonach Einkünfte einer in diesem Mitgliedstaat wohnhaften und unbeschränkt steuerpflichtigen Person aus einer nichtselbstständigen Tätigkeit von der Einkommensteuer befreit sind, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz in diesem Mitgliedstaat hat, aber nicht, wenn er seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstatt hat, steht Art. 45 AEUV entgegen.
Sachverhalt
Der verheiratete Steuerpflichtige ist dänischer Staatsangehöriger, in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und bei einem dänischen Arbeitgeber nichtselbstständig beschäftigt. Er war ab Januar 2002 für einen geplanten Zeitraum von 3 Jahren im Rahmen eines Entwicklungshilfeprojekts nach Afrika entsandt worden. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2003 machte er vergeblich geltend, dass die Einkünfte aus der in Afrika ausgeübten und von einem dänischen Arbeitgeber entlohnten Tätigkeit nicht der deutschen Einkommensteuer unterlägen.
Mit der anschließenden Klage verfogte der Steuerpflichtige sein Begehren weiter. Er ist der Auffassung, dass es gegen EU-Recht verstößt, wenn § 34c Abs. 5 EStG i.V.m. dem Auslandstätigkeitserlass eine Steuerbefreiung nicht vorsieht, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz ein einem anderen Staat der EU hat. Das FG hat dem EuGH die Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Der EuGH entscheidet, dass § 34c Abs. 5 EStG i.V.m. dem Auslandstätigkeitserlass, der den Lohn der Arbeitnehmer je nachdem, in welchem Mitgliedstaat ihr Arbeitgeber seinen Sitz hat, unterschiedlich behandelt, geeignet ist, diese Arbeitnehmer von der Annahme einer Beschäftigung bei einem Arbeitgeber abzuhalten, der in einem anderen Mitgliedsstaat als Deutschland ansässig ist. Sie stellt daher eine nach Art. 45 AEUV grundsätzlich verbotene Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dar.
Zwar sind Maßnahmen, die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer beeinträchtigen, zulässig, wenn mit ihnen ein berechtigter, mit diesem Vertrag vereinbarter Zweck verfolgt wird und sie aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind. In einem solchen Fall muss aber die Anwendung einer solchen Maßnahme auch geeignet sein, die Verwirklichung des in Rede stehenden Zwecks zu gewährleisten und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist. Hieran fehlt es jedoch vorliegend. Insbesondere kann die streitige Beschränkung nicht mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden, die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung, etwa durch Einholung von Auskünften der zuständigen Behörde eines Drittstaats, zu gewährleisten.
Hinweis
Jeder EU-Bürger, der von dem Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht und in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt hat, fällt unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit in den Anwendungsbereich von Art. 45 AEUV.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil v. 28.2.2013, C-544/11.