Leitsatz

Ist eine Person testamentarisch einerseits als Vermächtnisnehmer und andererseits als Nacherbe bedacht, so ist das Vermächtnis bereits nach dem Tod des Erblassers zu erfüllen.

Die Erbschaftssteuer fließt als Nachlassverbindlichkeit in die Ermittlung der Vermächtnishöhe ein.

 

Sachverhalt

Der Erblasser setzte mit handschriftlichem Testament seine Lebensgefährtin zur nicht befreiten Vorerbin und seine Tochter zur Nacherbin ein. Weiterhin setzte er seiner Tochter und seiner Ehefrau Vermächtnisse in Höhe von je ¼ seines Vermögens aus und ordnete Testamentsvollstreckung an. Er hinterließ ein Grundstück, eine Eigentumswohnung und Bankguthaben.

Der Testamentsvollstrecker hat der Lebensgefährtin aus dem Nachlass 100.000 DM, der Tochter und der Ehefrau jeweils 50.000 DM und die Erbschaftssteuer von 17.000 € gezahlt.

Die Tochter hat sich den Anspruch der Ehefrau abtreten lassen und wendet sich aus eigenem und aus abgetretenem Recht gegen die Berechnung des Vermächtnisses, da ihnen ein höherer Betrag zustehe. Die Lebensgefährtin wendet ein, der Wert der Eigentumswohnung dürfe nicht in die Berechnung des Nachlasses einfließen, da die Nacherbin ansonsten einmal den Wert der Wohnung abschöpfen und ein weiteres Mal die Wohnung im Nacherbfall erwerben würde. Zudem sei sie entreichert.

Die Tochter ist der Auffassung die Erbschaftssteuer dürfe nicht in die Berechnung mit einfließen.

 

Entscheidung

Die Tochter hat aus eigenem Recht und abgetretenem Recht der Ehefrau einen schuldrechtlichen Anspruch auf eine höhere Zahlung aus den Vermächtnisanordnungen nach dem Erblasser. Dabei ist auch der Wert der Eigentumswohnung mit in die Berechnung aufzunehmen; der Wortlaut der letztwilligen Verfügungen lässt keinen anderen Schluss zu, obwohl die Tochter des Erblassers von dem Wert der Immobilie sozusagen doppelt profitiert. Es sind keinerlei Tatsachen vorgetragen, die den Schluss rechtfertigen würden, der Erblasser habe gewollte, dass der Immobilienwert bei der Nachlassberechnung außen vor zu bleiben habe.

Die Lebensgefährtin vermag sich auch nicht auf eine Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB zu berufen; für diese Regelung ist im erbrechtlichen Auseinandersetzungsanspruch kein Anwendungsbereich eröffnet.

Umstritten ist die Frage, ob die Erbschaftssteuer als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 1967 Abs. 2 BGB anzusehen ist. Das Gericht schließt sich vorliegend der Auffassung an, die die Erbschaftssteuer zu den Nachlassverbindlichkeiten zählt, da sie - vergleichbar den Beerdigungskosten - auch zunächst den Erben treffe und sich nach den konkreten Verhältnissen bestimmt. Sie entsteht zudem im Zeitpunkt des Todes des Erblassers und nicht mit der Festsetzung durch das Finanzamt und ist damit im Zeitpunkt des Erbfalls bereits entstanden. Die Steuer ist deshalb in die Berechnung der Höhe des Vermächtnisses mit einzubeziehen.

 

Link zur Entscheidung

OLG Naumburg, Urteil vom 20.10.2006, 10 U 33/06

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