Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Umdeutung einer formunwirksamen Vereinbarung von Sondereigentum in Sondernutzungsrechte
Normenkette
§ 4 WEG, § 5 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 139 BGB, § 140 BGB, § 925 BGB
Kommentar
1. Wird einem Wohnungseigentümer durch allstimmigen Eigentümerbeschluss der Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnraum gestattet, kommt anstelle einer damit verbundenen formunwirksamen Einräumung von Sondereigentum die Umdeutung in ein Sondernutzungsrecht in Betracht, das allerdings immer nur in Verbindung mit mindestens einem Wohnungseigentumsrecht bestehen kann.
2. Die Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum fällt ebenso wie die Änderung von Miteigentumsquoten nicht in den Regelungsbereich des § 10 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WEG, sondern betrifft das im Grundbuch verlautbarte sachenrechtliche Grundverhältnis der Wohnungseigentümer (KG Berlin, Beschluss v. 17. 12. 1997, ZMR 98, 368 = WM 98, 366; BayObLG, WE 98, 151). Zur Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum und zur Änderung der Quoten bedarf es viel mehr gem. § 4 Abs. 1 und Abs. 2 WEG der Einigung aller Wohnungs- und Teileigentümer in der Form der Auflassung ( § 925 Abs. 1 BGB) und der Eintragung in das Grundbuch. Die Änderung der Aufteilung von gemeinschaftlichem Eigentum und Sondereigentum betrifft das Grundverhältnis der Mitglieder der Gemeinschaft und die sachenrechtliche Zuordnung der Flächen, Gebäudeteile und Räume. Sie betrifft dagegen nicht das "Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander" im Sinne von § 5 Abs. 4 WEG, § 10 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 WEG. Das sachenrechtliche Grundverhältnis wird als notwendiger Inhalt im Grundbuch eingetragen und kann nur durch notariell beurkundete Erklärung und deren Eintragung im Grundbuch geändert werden ( § 4 WEG). Anders wie bei Gemeinschaftsordnungs-Vereinbarungen (nach § 10 Abs. 2 WEG verdinglicht) kann die Abgrenzung von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum aber ebenso wenig wie die Festlegung von Miteigentumsquoten "Inhalt des Sondereigentums" sein, da dies Bereiche betrifft, die nach der Systematik der §§ 3ff. WEG als grundlegender Bestandteil des Wohnungseigentums dem Sondereigentum gegenüberstehen. Somit können diese dinglichen Elemente auch nicht durch formlose Vereinbarungen der Eigentümer oder ersetzende bestandskräftige Mehrheitsbeschlüsse wirksam abgeändert werden. Zur Klarstellung sei jedoch darauf hingewiesen, dass Wohnungseigentümer untereinander und auch der Inhaber mehrerer Wohneinheiten ohne Mitwirkung der übrigen Eigentümer die ihnen zustehenden Miteigentumsquoten intern verändern dürfen (BGH, NJW 76, 1976), jedenfalls wenn dies ohne Einwirkung auf die Beitragspflichten und die Stimmrechte bleibt. Vorliegend war im Beschluss nicht etwa nur eine Abzweigung von Miteigentumsanteilen für die neu gebildeten Wohnungen im Dachgeschoss, sondern eine generelle Neuberechnung der Miteigentumsanteile entsprechend der neuen Gesamtfläche vorgesehen.
3. Im vorliegenden Beschluss ging es allerdings auch um beschließbare Teilbereiche, so über bauliche Veränderungen und einen neuen Kostenverteilungsschlüssel, also um dispositive und damit einer Vereinbarungs-Regelung zugängliche Entscheidungsbereiche. Insoweit ist nach Grundsätzen der §§ 139 BGB (Teilnichtigkeit/Gesamtnichtigkeit) und § 140 BGB (Umdeutung) neuerlich vom LG festzustellen, ob in der allstimmigen Beschlussfassung und Bewilligung der Ausbaurechte eine Einräumung von Sondernutzungsrechten an den betreffenden Gemeinschaftsflächen gem. § 15 Abs. 1 WEG zu sehen ist. Ein Sondernutzungsrecht kann allerdings immer nur einem Miteigentümer zustehen; eine getrennte Veräußerung auf Sondernutzungsflächen errichteter neuer ausgebauter Wohnungen scheidet aus Rechtsgründen aus.
Diese Umdeutungsfragen von Teilbereichen des gefassten Beschlusses wird das LG neuerlich festzustellen haben, weshalb die Sache zurückverwiesen wurde.
Vorliegend wird die ausbauende Eigentümerin all diejenigen Arbeiten vornehmen dürfen, die sich im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Vorschriften halten oder sonst abdingbar mit dem Ausbau verbunden sind. Haben sich hier die restlichen Eigentümer ohne vorherige Vorlage von konkreten Plänen allgemein mit einer Aufstockung des Gebäudes einverstanden erklärt, können solche Erklärungen nicht nachträglich dadurch entwertet werden, dass ein Eigentümer einzelnen für die Fertigstellung des Bauvorhabens zwingend notwendigen Maßnahmen nachträglich widerspricht. Zum Schutz dessen, der eine Zustimmung pauschal erklärt hat, ist der ausbauende Miteigentümer jedoch gehalten, sein Vorhaben in der schonendsten, die übrigen Miteigentümer am wenigsten beeinträchtigenden Form zu verwirklichen.
Das LG wird sich demnach auch hinsichtlich der unabdingbaren Notwendigkeit einer Feuertreppe und vorgesehener Aufzüge noch zu befassen haben.
4. Geschäftswert in Dritter Instanz 100.000 DM.
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 16.09.1998, 24 W 8886/97= NZM 6/1999,258)
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung