Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war die Rechtmäßigkeit einer Gewaltschutzanordnung vom 17.12.2009 durch einstweilige Anordnung. Nachdem die Antragstellerin ihren Antrag zurückgenommen hatte, beantragte der Antragsgegner, den Beschluss vom 17.12.2009 aufzuheben und festzustellen, dass er durch die einstweilige Anordnung in seinen Rechten verletzt worden sei.
Sachverhalt
Die Beteiligten waren Mieter eines Anwesens, dessen Erdgeschosswohnung die Antragstellerin, die Wohnung im ersten Stock der Antragsgegner bewohnte.
Die Antragstellerin beantragte zur Niederschrift des AG am 16.12.2009 den Erlass einer Gewaltschutzanordnung und bot für den von ihr vorgetragenen Sachverhalt teilweise die Einvernehmung von Zeugen an.
Mit Beschluss vom 17.12.2009 erließ das AG ohne vorherige mündliche Anhörung eine einstweilige Anordnung, wonach es der Antragsgegner zu unterlassen hatte, sich in einem Umkreis von 10 m der Wohnung der Antragstellerin ohne vorhergehende Abstimmung aufzuhalten. Ihm wurde weiter verboten, mit der Antragstellerin in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen. Gleichzeitig ordnete das AG die sofortige Wirksamkeit an.
Der Antragsgegner beantragte daraufhin, aufgrund mündlicher Verhandlung erneut zu entscheiden und bat ausdrücklich, baldmöglichst Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Er bestritt den Sachvortrag der Antragstellerin voll umfänglich und bot für seinen Sachvortrag die Einvernahme von Zeugen an.
Das AG bestimmte daraufhin Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 3.2.2010. In diesem Termin nahm die Antragstellerin ihren Antrag zurück, weil sie zwischenzeitlich aus der Wohnung ausgezogen war. Der Antragsgegner beantragte, den Beschluss vom 17.12.2009 aufzuheben und festzustellen, dass er durch die einstweilige Anordnung in seinen Rechten verletzt worden sei.
Das AG hob den Beschluss vom 7.12.2009 auf und wies den Antrag des Antragsgegners auf Feststellung der Rechtswidrigkeit zurück.
Die hiergegen von dem Antragsgegner eingelegte Beschwerde erwies sich als erfolgreich.
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, die aufgrund des Beschlusses des AG vom 17.12.2009 bewirkte sofortige Verweisung des Antragsgegners aus seiner Wohnung sei ein schwerwiegender Grundrechtseingriff.
Der Feststellungsantrag des Antragsgegners sei begründet. Das AG habe seinen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit zu Unrecht zurückgewiesen. Der Beschluss verletze den Antragsgegner in seinen Rechten. Dabei könne es für die Feststellung der Rechtswidrigkeit dahinstehen, ob bereits der Erlass der einstweiligen Anordnung vom 17.12.2009 rechtswidrig gewesen sei, weil die begehrte Feststellung auch die Verletzung von Verfahrensrechten einschließe. Deshalb sei dem Feststellungsantrag bereits stattzugeben, wenn allein verfahrensrechtliche Vorschriften verletzt seien (BayObLG BayObLReport 2005, 117; Keidel/Budde, a.a.O., Rz. 29 m.w.N.).
Dies sei vorliegend der Fall. Das AG verletze den Anspruch des Antragsgegners auf wirkungsvollen Rechtsschutz sowie das Recht auf ein faires und zügiges Verfahren (EuGH Urteil vom 26.10.2000, Nr. 30210/96).
Das AG habe über den Antrag des Antragsgegner auf Durchführung der mündlichen Verhandlung nach § 54 Abs. 2 FamFG nicht zeitnah entschieden und dadurch den formellen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verletzt.
Eine Terminierung zum 3.2.2010, sechs Wochen nach Eingang des Antrags auf Durchführung der mündlichen Verhandlung am 22.12.2009 sei auch unter Berücksichtigung der Weihnachtsfeiertage und des Jahreswechsels nicht hinreichend zeitnah, um den Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz zu verwirklichen, zumal der Antragsgegner ausdrücklich auf die Eilbedürftigkeit seines Antrages hingewiesen hatte. Um der Rechtsschutzgarantie des Antragsgegners zu genügen, hätte die Terminierung vorrangig die erheblichen persönlichen und grundrechtsrelevanten Folgen der einstweiligen Anordnung zu beachten gehabt, die dem Antragsgegner letztendlich die Nutzung seiner Wohnung untersagt hätten. Eine zeitnähere Terminierung wäre auch geboten gewesen, weil die für den Antragsgegner folgenschwere Anordnung allein aufgrund des Sachvortrags der Antragstellerin - ohne Anhörung des Antragsgegners - erging, obgleich der Sachverhalt nach dem Vorbringen der Beteiligten äußerst streitig gewesen sei und beide Seiten Zeugenbeweise angeboten hätten.
Hinzu komme, dass die Antragstellen ihren Sachvortrag ursprünglich nur teilweise glaubhaft gemacht habe.
Der Beschwerde des Antragsgegners sei daher stattzugeben.
Link zur Entscheidung
OLG München, Beschluss vom 20.05.2010, 4 UF 254/10