Leitsatz
Die Einweisung eines Obdachlosen in eine private Wohnung begründet zwischen der Einweisungsbehörde und dem Eigentümer keine Rechtsbeziehung der Art, dass die Behörde das Verschulden des Eingewiesenen als ihres Erfüllungsgehilfen zu vertreten hätte, wenn dieser durch unsachgemäßen Gebrauch der Wohnung oder mutwillig Schäden anrichtet.
Fakten:
Der Vermieter hatte seine Eigentumswohnung an eine Familie vermietet, jedoch Anfang August 2001 wegen Zahlungsrückständen der Mieter fristlos gekündigt. Daraufhin wies das Ordnungsamt der Stadt im Einvernehmen mit dem Vermieter - unter Festsetzung einer vom Ordnungsamt zu tragenden monatlichen Nutzungsvergütung - die Mieter zur Abwendung einer Obdachlosigkeit in ihre bisherige Wohnung ein. Die Behörde verlängerte die befristete Einweisung mehrfach. Anfang September 2002 zog die Familie aus der Wohnung aus. Der Vermieter verlangt von der Stadt eine Entschädigung für die Schäden, welche die Mieter nach ihrer Einweisung durch unsachgemäßen Gebrauch der Wohnung und bei ihrem Auszug angerichtet hatten. Der BGH verneint die Ansprüche des Vermieters. Wird, wie bei der Einweisung eines Obdachlosen in eine private Wohnung, zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein Nichtstörer durch die Ordnungsbehörde in Anspruch genommen, so kann der in Anspruch Genommene Entschädigung für den ihm hierdurch entstandenen Schaden verlangen. Für entgangenen Gewinn, der über den Ausfall des gewöhnlichen Verdienstes oder Nutzungsentgelts hinausgeht, und für Vermögensnachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der zu entschädigenden Maßnahme stehen, ist eine Entschädigung nur zu leisten, wenn und soweit dies zur Abwendung unbilliger Härten geboten erscheint. Eine Haftung der Einweisungsbehörde für eine ordnungsgemäße Nutzung der Wohnung durch den Eingewiesenen wird nicht begründet, da die Behörde selbst kein Nutzungsrecht an der Wohnung erwirbt.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 21.12.2005, III ZR 148/05
Fazit:
Der BGH klärt hier die strittige Frage, ob dem betroffenen Eigentümer neben dem Entschädigungsanspruch des Nichtstörers unter dem Gesichtspunkt der Einstandspflicht der Einweisungsbehörde für das Verschulden des Eingewiesenen ein Schadensersatzanspruch zusteht. Zwar besteht aufgrund der zwangsweisen Heranziehung des Eigentümers eine polizeirechtliche Sonderbeziehung zwischen Einweisungsbehörde und Eigentümer im Sinne eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses. Danach ist die Einweisungsbehörde nach Ablauf der Einweisungsfrist verpflichtet, die Wohnung frei zu machen, wenn sich der Eingewiesene weigert, die Wohnung freiwillig zu verlassen. Die Behörde haftet aber nicht für eine ordnungsgemäße Nutzung der Wohnung durch den Eingewiesenen. Schäden, welche der eingewiesene Obdachlose in der Wohnung verursacht, bleiben also weiterhin beim Vermieter hängen.