Dr. Klaus-Peter Horndasch
Ausgangsfall der Sorgerechtsregelung der Kinder nicht miteinander verheirateter Eltern ist die elterliche (Allein)Sorge der Mutter (§ 1626a Abs. 2 BGB), die bisher gegen ihren Willen nicht in eine gemeinsame elterliche Sorge mit dem leiblichen Vater zu ändern war. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgericht war dies verfassungsgemäß. Die gegen den Willen des betroffenen Elternteils erzwungene gemeinsame Sorge sei regelmäßig mit mehr Nachteilen als Vorteilen für das Kind verbunden, so dass in diesen Fällen keine Vermutung für eine Kindeswohldienlichkeit bestehe.
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass die Unmöglichkeit der Teilhabe des leiblichen Vaters an der elterlichen Sorge gegen den Willen der Kindesmutter in diesen Fällen eine Verletzung von Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) i. V. m. Art. 8 EMRK (Anspruch auf Achtung des Familienlebens) darstellt. Der Gerichtshof teilte die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts nicht, wonach ein gemeinsames Sorgerecht gegen den Willen der Kindesmutter grundsätzlich dem Wohl des Kindes zuwider laufe.
Das Bundesverfassungsgericht hat sodann mit erklärt, dass der generelle Ausschluss des Kindesvaters von der Sorgetragung ohne Zustimmung der Mutter das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG verletze. Es müsse gerichtlich überprüfbar sein, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Kindesmutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Kindesmutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen. § 1626a Abs. 1 Nr. 1 und § 1672 Abs. 1 BGB in der Fassung des KindRG v. 16.12.1997 seien mit Art. 6 Abs. 2 GG unvereinbar. Die Vorschriften würden aber nicht für nichtig erklärt, sondern seien zu ergänzen.
Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung war, so das BVerfG, § 1626a BGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam überträgt, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht.
Nachdem der Gesetzgeber aufgefordert war, insoweit das Recht der elterlichen Sorge nichtverheirateter Eltern neu zu regeln, wurde von vornherein das Modell der sog. große Lösung, also der Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge kraft Gesetzes in allen Fällen, verworfen.
Seither sind verschiedene Modelle entwickelt worden, wie eine gesetzliche Möglichkeit des Kindesvaters beschaffen sein kann, auch gegen den Willen der Kindesmutter Träger elterlicher Sorge zu werden.
5.5.1 Gemeinsame Sorge – das Verfahren
Die Bundesregierung hat sich mit § 1626a BGB für eine vereinfachte Lösung entschieden. Danach gilt:
Der Vater kann wählen, ob er nach Abgabe einer Sorgeerklärung das Sorgerecht direkt beim Familiengericht beantragt oder sich (zunächst) an das Jugendamt wendet.
Im gerichtlichen Verfahren erhält die Mutter eine Frist zur Stellungnahme von ca. 4 Wochen, (die nicht vor Ablauf von 6 Wochen nach Geburt des Kindes enden darf), innerhalb derer sie zum Antrag des Vaters Stellung nehmen muss.
Das Familiengericht entscheidet in einem beschleunigten schriftlichen Verfahren ohne persönliche Anhörung.
Das Familiengericht spricht auch dem Vater das Sorgerecht zu, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht (negative Kindeswohlprüfung, ‹Beweislastumkehr›), auch dann, wenn die Mutter nicht widersprochen, also gar nicht Stellung genommen hat.
Der Ausgangspunkt der Wahlmöglichkeit zwischen Jugendamt und Familiengericht entspricht der im Sorgerecht und Umgangsrecht durchgängig gegebenen Möglichkeit, bei Problemen entweder die Vermittlung durch das Jugendamt zu suchen oder aber das Familiengericht anzurufen.
Das Verfahren zur Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge gegen den Willen der Kindesmutter ist in § 155a FamFG geregelt.
Die Kindesmutter hat nach einem Antrag des Kindesvaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei nicht miteinander verheirateten Eltern gem. § 1626a BGB in einer zu bestimmenden Frist zum Antrag Stellung zu nehmen, 1626a Abs. 2 BGB.
Die Entscheidung über die beantragte gemeinsame elterliche Sorge ergeht sodann ohne mündliche Verhandlung, ohne Anhörung des Jugendamtes und ohne persönliche Anhörung der Kindeseltern im schriftlichen Verfahren, 1626a Abs. 3 BGB.
Werden dem Familiengericht Gründe bekannt, die der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen könnten, findet binnen eines Monats eine Erörterung vor dem Gericht statt, 1626a Abs. 4 BGB.
Bei beschränkt geschäftsfähigen Elternteilen können Erklärungen des gesetzlichen Vertreters auch im Termin zur Niederschrift des Gerichts erfolgen, 1626a Abs. 5 BGB.
Das beschleunigte formelle Verfahren ist problematisch:
Bestimmte Kindschaftssachen unterliegen dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot gem. § 155 Abs. 1 FamFG. In Frage des Aufenthalts des Kin...