Die Beantragung von Verfahrenskostenhilfe setzt grundsätzlich eine Bejahung der Begriffe "hinreichende Erfolgsaussicht" bzw. "Mutwilligkeit" voraus. Im Rahmen eines Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 13.7.2020[1] die Grenzen des Ermessensspielraums und damit die Auslegung dieser Begriffe aufgezeigt.

Das Bundesverfassungsgericht erklärt: Überspannt das Fachgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussicht, werde der Zweck der Verfahrenskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt. Will das Fachgericht einem nichtehelichen Vater im Verfahren auf Erlangung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a BGB mangels hinreichender Erfolgsaussicht die begehrte Verfahrenskostenhilfe versagen, müsse die Mutter des gemeinsamen Kindes durchgreifende gegen die gemeinsame elterliche Sorge sprechende Gesichtspunkte vorgetragen haben.

Allein der Umstand, dass sie dem Vater ihres anderen Kindes für Unterschriften "hinterherlaufen" müsse, genüge nicht für die Beibehaltung der alleinigen elterlichen Sorge für das hier in Rede stehende Kind. Die Ablehnung von Verfahrenskostenhilfe könne auch nicht pauschal mit der "gestörten Kommunikation" der Eltern begründet werden, ohne diese Störungen vereinzelt darzulegen.

Mutwilligkeit kann nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts nicht mit einem allgemeinen Erfahrungssatz begründet werden, ein bemittelter Beteiligter werde zunächst eine Umgangsregelung in der Praxis erproben, bevor er ein Verfahren auf gemeinsames Sorgerecht einleite. Einen solchen Erfahrungssatz gebe es nicht. Ebenso wenig sei es mutwillig, zwei getrennte Verfahren zur Regelung von Umgangsrecht und elterlicher Sorge zu beantragen, und zwar schon deshalb, weil für ein Umgangsverfahren anders als für ein Verfahren nach § 1626a BGB das Vorrang- und Beschleunigungsgebot des §§ 155 FamFG gelte.

Wenn die Mutter eine außergerichtliche Aufforderung, der gemeinsamen elterlichen Sorge zuzustimmen, abgelehnt habe, könne Mutwilligkeit auch nicht mit dem Argument begründet werden, das Jugendamt sei nicht vor Einleitung des Gerichtsverfahrens eingeschaltet worden, zumal eine rechtsverbindliche Änderung des bestehenden Sorgerechts nicht durch die Vermittlung des Jugendamtes, sondern allein durch das Gericht getroffen werden könne. Dem dürfte allerdings entgegenzuhalten sein, dass sehr wohl nach entsprechender Beratung durch das Jugendamt die Eltern eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgeben könnten.

Das Bundesverfassungsgericht hat damit die Grenzen für die Beantragung von Verfahrenskostenhilfe bei Antrag auf gemeinsames Sorgerecht weit gesteckt.

[1] BVerfG, FamRZ 2020, 1559.

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