Leitsatz
Das Saarländische OLG hat sich in dieser Entscheidung damit auseinandergesetzt, ob und unter welchen Voraussetzungen eine bereits vollzogene einstweilige Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht mit der Konsequenz eines erneuten Aufenthaltswechsels vor der Entscheidung in der Hauptsache abgeändert werden kann.
Sachverhalt
Die Kindeseltern hatten im Jahr 2001 geheiratet. Aus ihrer Ehe war ein am 6.12.2002 geborener Sohn hervorgegangen, der an ADHS litt und immer wieder einnässte und einkotete. Er wurde deswegen ständig ärztlich behandelt und hatte erhebliche Schwierigkeiten in der Schule u.a. deswegen, weil er häufig gehänselt wurde. Die Eltern lebten seit 2003 voneinander getrennt und wurden durch Urteil vom 8.4.2005 rechtskräftig geschieden. Der Sohn lebte seit der Trennung der Eltern im Einvernehmen beider im Haushalt seiner Mutter und hatte regelmäßig Umgang mit seinem Vater.
Der Kindesvater hatte am 8.8.2008 wieder geheiratet und lebte mit seiner zweiten Ehefrau sowie einer aus der Beziehung zu ihr hervorgegangenen im Oktober 2007 geborenen Tochter zusammen.
Auch die Kindesmutter ging am 19.6.2010 eine neue Ehe ein und zog zu ihrem Ehemann an einen anderen Ort.
Im Hinblick auf den beabsichtigten Umzug der Antragstellerin kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Eltern über den künftigen Aufenthalt des Sohnes. Die Kindesmutter hat die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich begehrt. Der Vater hat einen widerstreitenden Antrag gestellt und begehrt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf ihn zu übertragen.
Das FamG hat die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens angeordnet. In dem daraufhin angeordneten Termin zur mündlichen Verhandlung wurde ein Verfahrensbeistand für den Sohn bestellt und der gerichtliche Sachverständige zur Erläuterung seines Gutachtens angehört. Der Kindesvater beantragte nunmehr, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Das FamG hat seinem Antrag stattgegeben und im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater übertragen.
Hiergegen wandte sich die Mutter mit der Beschwerde, mit der sie die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts bis zur Entscheidung in der Hauptsache auf sich erstrebte. Sie bat weiterhin um Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses. Sie erhob massive Einwände gegen das Sachverständigengutachten und vertrat die Auffassung, es entspreche dem Kindeswohl am besten, wenn der Sohn weiterhin bei ihr lebe.
Unstreitig lebte der Sohn seit dem 15.8.2010 im Haushalt seines Vaters und besuchte die Grundschule an dessen Wohnort.
Der Verfahrensbeistand des Kindes verwies darauf, dass es Anhaltspunkte für eine massive Beeinflussung des Kindes durch die Mutter gebe. Das Sachverständigengutachten müsse eventuell im Hinblick auf die Frage der Bindungstoleranz des Antragsgegners noch ergänzt werden. Vor dem Hintergrund des unklaren Ausgangs des Hauptsacheverfahrens solle ein erneuter Wechsel des Kindes - nunmehr in den Haushalt der Antragstellerin - vermieden werden. Von einer Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses sei daher abzusehen.
Das Rechtsmittel der Kindesmutter erwies sich als nicht begründet.
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, die angefochtene einstweilige Anordnung habe im Ergebnis aus Gründen des Kindeswohls Bestand. Es folgte der Annahme des erstinstanzlichen Gerichts, wonach bei der für das einstweilige Anordnungsverfahren gebotenen nur summarischen Prüfung in Anbetracht der Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass auch eine endgültige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater erfolgen werde. Zwar habe die Kindesmutter hiergegen massive und durchaus nachvollziehbare Einwände erhoben, andererseits hätten die Feststellungen des Sachverständigen erhebliches Gewicht und es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass das Gutachten grundlegende Fehler aufweise.
Das OLG stimmte dem AG auch insoweit zu, als ein dringendes Regelungsbedürfnis bestanden habe, da die Kindeseltern sich über den künftigen Aufenthalt des Sohnes nicht hätten einigen können und diesbezüglich wegen des Umzuges der Mutter und des damit zwangsläufig verbundenen Schulwechsels für das Kind wesentliche Entscheidungen hätten getroffen werden müssen.
Allerdings seien - hiervon sei auch das erstinstanzliche Gericht ausgegangen - im Hauptsacheverfahren noch weitere Feststellungen zu treffen und dessen Ausgang als offen anzusehen. In Bezug auf den Erlass der einstweiligen Anordnung bedeute dies, dass die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, jedoch ein Beteiligter, der eine Änderung der bestehenden Regelung erreichen wolle, mit seinem Antrag im Hauptsacheverfahren später Erfolg hätte, ggü. den Nachteilen abzuwägen seien, die entstehen würden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem betreffenden Beteiligten im Hauptsacheverfahren ...