Leitsatz

In einem Sorgerechtsverfahren begründete der Kindesvater seinen Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge auf ihn mit einer bei der Kindesmutter vorliegenden Alkoholproblematik. Es stellte sich die Frage, ob ein Elternteil in einem Sorgerechtsverfahren im Rahmen der vom Gericht betriebenen Sachaufklärung dazu verpflichtet werden kann, sich im Hinblick auf eine mögliche Erkrankung untersuchen zu lassen.

 

Sachverhalt

Kurzwiedergabe des Sachverhalts:

Der Kindesvater beantragte, ihm das Sorgerecht für die beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder zu übertragen und der Kindesmutter die elterliche Sorge zu entziehen. Zur Begründung führte er an, eine Übertragung des Sorgerechts sei wegen einer bei ihr vorliegenden Alkoholproblematik erforderlich.

Das FamG gab der Kindesmutter auf, sich beim Gesundheitsamt auf eine mögliche Alkoholerkrankung untersuchen zu lassen. Im Zuge dieser Untersuchung seien Leberwerte aufzunehmen, um den Grad einer möglichen Erkrankung festzustellen. Zum Zwecke der Untersuchung wurden ihr drei Termine vorgeschlagen und ferner aufgegeben, sich für den Fall der Nichteinhaltung der genannten Termine innerhalb einer ihr gesetzten Frist beim Gesundheitsamt zwecks Untersuchung um einen Termin zu bemühen.

Gegen diesen Beschluss legte die Kindesmutter Beschwerde ein und machte geltend, durch den Beschluss werde erheblich in ihre Persönlichkeitsrechte eingegriffen.

Ihr Rechtsmittel war erfolgreich.

 

Entscheidung

Das OLG hielt die Beschwerde für zulässig. Beweisanordnungen seien in sinngemäßer Anwendung des § 19 FGG anfechtbar, wenn sie in erheblichem Maße in die persönlichen Rechte Beteiligter eingriffen. Ein solcher Fall liege vor, wenn sie von dem Betroffenen ein bestimmtes Verhalten verlangten, wie hier die Mitwirkung bzw. Duldung an ärztlichen Untersuchungen.

Im Übrigen hielt das OLG die Beschwerde für begründet, weil keine Rechtsgrundlage für die getroffene Anordnung bestehe.

Zwar habe das Gericht gem. § 12 FGG von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Niemand allerdings dürfe ohne gesetzliche Ermächtigung gezwungen werden, sich für eine ärztliche Untersuchung bereitzustellen (vgl. OLG Stuttgart, OLGZ 75, 132).

Auch aus dem Verweis von § 15 FGG auf die Vorschriften der ZPO ergebe sich keine Rechtsgrundlage zur Duldung einer im Rahmen eines Sorgerechtsverfahrens angeordneten ärztlichen Untersuchung. Auch § 33 FGG setze eine sich aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergebende Verpflichtung voraus, schaffe aber keine eigenständige Grundlage für die getroffene Anordnung. Letztlich stelle auch § 1666 BGB keine Ermächtigungsgrundlage für die angeordnete ärztliche Untersuchung dar (vgl. auch OLG Stuttgart a.a.O.).

 

Hinweis

Die Entscheidung des OLG Oldenburg steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG, das mit Beschluss vom 20.05.2003 (1 BvR 2222/01) einen ähnlich gelagerten Fall entschieden hat, in dem ein Vater gezwungen werden sollte, sich im Rahmen eines Verfahrens zum Umgangsrecht psychologisch untersuchen zu lassen und zu diesem Zweck bei einem Sachverständigen zu erscheinen.

Das BVerfG vertrat die Auffassung, die Anordnung der psychologischen Untersuchung greife in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Vaters ein, das grundsätzlich vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter schütze. Für diesen Eingriff fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage.

Aus dieser Rechtslage ist allerdings nicht zu folgern, dass dem Gericht die Hände gebunden sind, wenn ein Elternteil bei Vorliegen ernsthafter Anhaltspunkte für eine Alkoholproblematik eine ärztliche Untersuchung verweigert.

Aus § 12 FGG ergibt sich eine Mitwirkungsobliegenheit an den Ermittlungen des Gerichts. Diese Pflicht kann als Ermächtigungsgrundlage für die Erzwingung einer konkreten Maßnahme nicht durchgesetzt werden. Das Gericht darf auch aus der zulässigen Weigerung der Mitwirkung keine nachteiligen Schlüsse ziehen. Allerdings hat das Gericht im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung dann auch nicht davon auszugehen, dass ein Gutachten, wäre es eingeholt worden, ein dem Beteiligten günstiges Ergebnis erbracht hätte. Es kann daher nach eventuellen weiteren Ermittlungen seine Überzeugung allein auf andere bewiesene Indizien stützen.

In dem Regierungsentwurf zum FGG-Reformgesetz vom 09.05.2007 wird die Mitwirkungslast nunmehr in § 27 Abs. 1 FGG ausdrücklich normiert. Die Mitwirkung ist zwar nicht erzwingbar. Gleichwohl soll im Falle schuldhafter Verletzung aber das Gericht dem nicht ordnungsgemäß Mitwirkenden ganz oder teilweise die Kosten des Verfahrens auferlegen können, wenn sich durch die unterlassene Mitwirkung das Verfahren erheblich verzögert.

 

Link zur Entscheidung

OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 26.03.2007, 2 WF 55/07

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