Leitsatz
Ein im Jahre 1996 geborenes Kind C lebte seit Juli 2006 bei seinen Großeltern und hatte seither keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern. Bei seinen Großeltern lebten auch seine in den Jahren 1989 und 1991 geborenen Halbgeschwister. Die Eltern hatten sich im Jahre 2001 getrennt und waren im Jahre 2002 geschieden worden. Aufgrund von Konflikten mit der Mutter übersiedelte C im Einverständnis mit ihr im August 2004 zum Vater. Auch hier kam es zu erheblichen Konflikten, weshalb alle drei Kinder im Juli 2006 zu den Großeltern zogen.
Im Rahmen eines vom Jugendamt im Juli 2006 eingeleiteten familiengerichtlichen Verfahren mit dem Ziel eines Entzuges des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Eltern wurde das Kind C am 3.1.2008 persönlich angehört und erklärte, bei den Großeltern bleiben zu wollen. Einen Kontakt zur Mutter wolle er nicht.
Das AG hat den Eltern die elterliche Sorge entzogen und einen Berufsvormund eingesetzt.
Hiergegen wandte sich die Mutter mit ihrer Beschwerde, die keinen Erfolg hatte.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, das FamG habe der Mutter zu Recht die elterliche Sorge entzogen, weil die Voraussetzungen des § 1666 BGB erfüllt und mildere Mittel nicht geeignet seien, die Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden.
Eine Gesamtabwägung der maßgeblichen Umstände führe zu diesem Ergebnis, da die Mutter bei Übertragung des Sorgerechts eine Herausnahme des Kindes C aus seinem gefestigten Lebensumfeld gegen seinen mehrmals erklärten Willen und eine vorübergehende Unterbringung in einer vollstationären Einrichtung anstrebe.
Das Kind hatte sich nach Überzeugung des OLG bei seinen Großeltern gut integriert. Dies ergebe sich aus dem in der persönlichen Anhörung nach § 50b FGG gewonnenen Eindruck, der Stellungnahme des Jugendamtes und der Verfahrenspflegerin sowie dem Bericht des Vormundes. Dieser Eindruck finde seine Bestätigung auch durch das im Vorverfahren in überzeugender und nachvollziehbarer Weise erstattete Sachverständigengutachten. Im Januar 2007 habe die Sachverständige festgestellt, dass die Großeltern für das Kind C einen großen Zuverlässigkeitsfaktor bedeuteten. Die Stellungnahme des Jugendamtes, der Verfahrenspflegerin und des Vormundes bestätigten dies. Sie zeigten, dass sich das Kind - auch durch den Einfluss der ambulanten Therapie - konsolidiert und positiv entwickelt habe. Seine schulischen Leistungen seien zufrieden stellend. Anlässlich seiner persönlichen Anhörung habe er sich als ausgeglichener und offener junger Mensch offenbart, dem es gelungen sei, seine Gedanken und Überlegungen in sehr altersentsprechender Weise transparent zu machen.
Von Bedeutung sei auch, dass das Kind sich mehrfach und eindeutig für eine Beibehaltung der tatsächlichen Situation ausgesprochen habe. Die Notwendigkeit seiner Respektierung als eigenständige Persönlichkeit verlange im Licht der verfassungsrechtlichen Ausgangssituation danach, diesem Willen des 12 Jahre und 7 Monate alten Menschen das gebotene Gewicht einzuräumen, weil er sich nur mehrfach in unterschiedlichen Gesprächssituationen und konstant hierzu geäußert habe, sondern ihm auch nachvollziehbare Erwägungen zugrunde lägen.
C habe sich in den zwei Gesprächen mit dem Familienrichter erster Instanz, im Gespräch mit der vormaligen Sachverständigen, in Gesprächen mit dem Jugendamt, in mehreren Gesprächen mit der Verfahrenspflegerin und seinem Vormund und zuletzt auch bei seiner Anhörung vor dem OLG eindeutig positioniert, seinen Lebensmittelpunkt bei den Großeltern beibehalten zu wollen. Er sei insoweit zu keinem Zeitpunkt zweifelnd oder schwankend gewesen. Seine Erwägungen seien vor dem Hintergrund seiner bisherigen Lebensumstände und der innerfamiliären Konflikte beachtlich und nachvollziehbar.
Der Wille des Kindes sei auch nicht etwa deswegen unbeachtlich, weil er - so die Argumentation der Mutter - unter Beeinflussung der Großeltern zustande gekommen sei. Es könne insoweit dahingestellt bleiben, ob und inwieweit ein auf Beeinflussung beruhender Kindeswille unbeachtlich sein könnte. Denn eine Disqualifizierung des Kindeswillens komme in diesen Fällen nur und ausschließlich dann in Betracht, wenn aufgrund von Manipulation der geäußerte Wille des Kindes die wirklichen Bindungsverhältnisse nicht zutreffend wiedergeben würde (vgl. nur BVerfG, FamRZ 2001, 1057).
Hierfür seien Anhaltspunkte nicht ersichtlich.
Nach alledem stelle die von der Mutter angestrebte - und vom Vater unterstützte - Herausnahme des Kindes aus seinem bisherigen Lebensumfeld, die zugleich zu einer vorübergehenden Unterbringung in einer vollstationären Einrichtung führen solle, eine Gefährdung des Kindeswohls dar. Mildere Mittel als Entzug der elterlichen Sorge seien nicht in gleicher Weise geeignet, die Kindeswohlgefährdung abzuwenden.
Zum einen berühre die von der Mutter angestrebte Herausnahme des Kindes aus seinem Lebensumfeld wesentliche Teilbereiche der elterlichen Sorge, da diese Maßnahme insbesondere umfassende Entscheidungen auf dem Gebiet der ge...