Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Berücksichtigung des Willens eines 12-jährigen Kindes
Leitsatz (amtlich)
Zur Berücksichtigung des Willens eines 12-jährigen Kindes bei der Entscheidung über die elterliche Sorge.
Normenkette
BGB § 1666
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 404 F 4422/07) |
Gründe
I. C ist nunmehr 12 Jahre alt. Er hat zwei Halbgeschwister, nämlich D, geboren am ... 1989, und E, geboren am ... 1991. Seine Eltern haben sich im Jahre 2001 getrennt. Im Jahr 2002 wurde die Ehe geschieden. Eine Entscheidung zum Sorgerecht wurde nicht getroffen. Aufgrund von Konflikten mit der Mutter übersiedelte C im Einverständnis mit der Mutter im August 2004 zum Vater. Auch hier kam es jedoch zu erheblichen Konflikten, weshalb die drei Kinder im Juli 2006 zu den Großeltern, den Verfahrensbeteiligten zu 1) und 2), zogen. Seitdem besteht im Wesentlichen kein Kontakt zwischen C und seinen Eltern. Er lebt seither bei den Großeltern.
Unter dem 24.7.2006 leitete das Jugendamt der Stadt O3 ein - hier beigezogenes - familiengerichtliches Verfahren mit dem Ziel eines Entzuges des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Eltern ein (AG Frankfurt, Abt. Höchst, Az. 404 F 4269/06), da die Mutter mit einem Aufenthalt in der Kinder bei den Großeltern nicht (mehr) einverstanden war. In diesem Verfahren wurde C am 10.8.2006 persönlich angehört und sprach sich - wie auch seine beiden Brüder - für einen Verbleib bei seinen Großeltern aus. Das Familiengericht holte zudem ein psychologisches Gutachten ein, welches von der Diplom-Psychologin F unter dem 19.1.2007 erstattet worden ist. Diese kam in testpsychologischen Untersuchungen u.a. zu dem Ergebnis, dass C sich als jemand erlebe, der seinen eigenen Willen durchaus kontrollieren könne, er sehr wenig von außen beeinflusst werde und sich auch nicht als von außen bestimmt erlebe. Auch habe er ein geringes Bedürfnis, sich entsprechend sozial erwünschter Erwartungen anderer zu verhalten. Es sei deswegen nicht davon auszugehen, dass seine Weigerungshaltung ggü. der Mutter primär durch die Beeinflussung beispielsweise der Eltern zustande gekommen sei. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Willensäußerung C über eine lange Zeitdauer gleichbleibend und sich auch gegenüber verschiedenen Personen nicht geändert habe. Ein Umzug zur Mutter entgegen seinem erklärten und autonomen Kindeswillen würde bei einem Kind in C Alter und bei der Entstehungsgeschichte seiner Willensäußerung sein Kindeswohl gefährden, denn es seien als mögliche Reaktionen negative Folgen für seine psychische Entwicklung zu erwarten im Sinne von erlebter Hilflosigkeit, Depressionen oder aggressiven Verhaltensweisen. Auch stellten u.a. seine Großeltern einen Zuverlässigkeitsfaktor dar, der ihm genommen würde. Sollte eine Vollmacht seitens der Mutter nicht erteilt werden - so die Sachverständige - müsste das Sorgerecht insgesamt entzogen werden.
Daraufhin erteilte die Mutter am 15.3.2007 dem Großvater eine Vollmacht für die gesamte Personensorge und erklärte ihr Einverständnis mit einem Verbleib C bei den Großeltern, was zur Beendigung des Verfahrens führte.
C befindet sich seit Mai 2007 u.a. wegen "Akuter Belastungsreaktion" und "Anpassungsstörung" auf Anraten des Jugendamtes einmal wöchentlich in ambulanter Therapie. Am 7.12.2007 attestierte die behandelnde Fachärztin, dass C langsam beginne, sich emotional zu stabilisieren.
Im vorliegenden Verfahren haben die Großeltern unter dem 25.10.2007 beim Familiengericht zunächst die "Erteilung des Sorgerechts" für E und C begehrt. Sie haben am 13.12.2007 ihr Einverständnis mit der Einsetzung einer neutralen Person als Vormund erklärt. Das AG hat die Verfahrensbeteiligten am 13.12.2007 und C am 3.1.2008 persönlich angehört. C hat erklärt, bei den Großeltern bleiben zu wollen. Zwar bekäme er die Streitigkeiten zwischen den Erwachsenen mit, die Großeltern würden aber nicht schlecht über die Mutter reden. Einen Kontakt zur Mutter wolle er nicht.
Mit dem angegriffenen Beschluss hat das AG den Eltern die elterliche Sorge entzogen und einen Berufsvormund eingesetzt. Die Voraussetzungen des § 1666 BGB seien erfüllt. Die Eltern würden dadurch, dass sie trotz des eindeutig geäußerten Kindeswillens mit C weiterem Verbleib bei den Großeltern nicht einverstanden seien und die Herausgabe verlangen würden, das geistig-seelische Wohl des Kindes erheblich gefährden.
Hiergegen wendet sich ausschließlich die Mutter mit ihrer Beschwerde. Zur Begründung führt sie u.a. aus, es bestünden Bedenken gegen die Erziehungsfähigkeit der Großeltern. Diese würden C erheblich gegen sie beeinflussen. Nicht ein Umzug des Minderjährigen zu ihr würde dessen Wohl gefährden, sondern sein Verbleib bei den Großeltern. Diese würden auch den Kontakt zur Mutter unterbinden. Sie würde akzeptieren, dass ein Dritter das Sorgerecht erhalte, jedoch nur unter der Bedingung, dass C nicht bei den Großeltern aufwachse.
Im Rahmen seiner oberlandesgerichtlichen Anhörung durch den vorbereitenden Einzelrichter am 15.10.2008 hat C...