Leitsatz
Geschiedene Eltern stritten sich um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre 13-jährige Tochter. Das OLG hatte sich damit auseinanderzusetzen, welche Bedeutung dem Willen des Kindes zukommt, wenn beide Eltern in ihrer Erziehungsfähigkeit erheblich eingeschränkt sind.
Sachverhalt
Seit Januar 2007 rechtskräftig geschiedene Eltern stritten um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre gemeinsame 13-jährige Tochter B, die die Hauptschule besuchte. Sie litt an Diskalkulie und war deswegen in der Zeit von Januar 2007 bis einschließlich Juli 2008 in therapeutischer Behandlung.
Die im Jahre 1968 geborene Kindesmutter lebte seit März 2008 mit einem neuen Lebenspartner zusammen und war im Geringverdienerbereich erwerbstätig. Der Kindesvater war von Beruf Oberbrandmeister und lebte seit der Trennung der Parteien im April 2004 mit seiner neuen Lebenspartnerin zusammen. Beide betreuten ein gemeinsames 4 Jahre altes Kind.
Die gemeinsamen Kinder B und ihr 14-jähriger Bruder Q blieben nach der Trennung der Kindeseltern zunächst im Haushalt der Kindesmutter. Regelmäßige Umgangskontakte des Kindesvaters mit den Kindern fanden alle 14 Tage statt. Aufgrund einer Umgangsvereinbarung hatte er das Recht, mit beiden Kindern 14-tägig in der Zeit von Freitagnachmittag bis Sonntagabend sowie einem weiteren Tag in der Woche mit Übernachtung zusammen zu sein. Ferner hatte er das Recht, die Hälfte der Schulferien mit den Kindern zu verbringen.
Im Sommer 2007 brach der Umgang zwischen Vater und Sohn vorübergehend ab. Aufgrund einer erneuten Vereinbarung der Eltern vor dem FamG wurden seit Sommer 2008 Kontakte zwischen Vater und Sohn in eingeschränktem Umfang eigenverantwortlich vereinbart und wahrgenommen.
Ende Februar 2008 wechselte die Tochter in den Haushalt des Vaters, nachdem sie seiner Lebenspartnerin ggü. von sexuellen Übergriffen ihres Bruders berichtet hat. Umgangskontakte zwischen der Tochter und der Kindesmutter fanden seit dem Wechsel des Kindes in den Haushalt des Vaters im Dezember 2008 nicht und danach erst wieder ab März 2009 statt. Der Wechsel der Tochter in den Haushalt des Vaters war für beide Eltern Anlass, wechselseitige Anträge auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Tochter zu stellen.
Durch einstweilige Anordnung des FamG vom 24.4.2008 wurde dem Vater das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Tochter vorläufig übertragen. In der Hauptsache hat er beantragt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht alleine zu übertragen.
Das FamG hat beide Kinder und die Eltern persönlich angehört. Zur Frage der Regelung der elterlichen Sorge wurde das Gutachten einer Sachverständigen eingeholt, die zu dem Ergebnis gelangte, dass sexuell motivierte Übergriffe des Bruders gegen seine Schwester nicht angenommen werden könnten.
Das FamG hat mit Beschluss vom 22.1.2009 entschieden, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Tochter - zeitlich begrenzt bis zum 1.6.2006 - den Kindeseltern entzogen und auf das Amt für Jugendhilfe und Schule der Stadt X als Ergänzungspfleger übertragen werde. Nach Ablauf der genannten Frist sollte die Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungrecht für B alleine ausüben. Außerdem hat das FamG die Wiederanbahnung von Umgangskontakten zwischen der Mutter und der Tochter angeordnet und den Umgang des Kindes mit dem Vater für die Zeit nach deren Wechsel in den mütterlichen Haushalt geregelt.
Gegen die Entscheidung des FamG wandte sich der Kindesvater mit der Beschwerde. Beide Eltern hielten in der Beschwerdeinstanz ihre erstinstanzlichen Anträge auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Tochter aufrecht.
Entscheidung
Die Beschwerde des Kindesvaters führte zur Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses und Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Tochter auf ihn. Diese Regelung entspreche nach Anhörung der Beteiligten und Auswertung des Sachverständigengutachtens dem Wohl der Tochter am Besten.
Eine Aufhebung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Tochter sei erforderlich, weil beide Eltern derzeit nicht in der Lage, dieses zum Wohl ihrer Tochter gemeinsam auszuüben. Zwischen den Eltern fehle eine soziale tragfähige Beziehung und ein Mindestmaß an Übereinstimmung. Beide Eltern seien nicht in der Lage, sich darüber zu einigen, welchem Elternteil die Tochter ihren Lebensmittelpunkt zukünftig haben solle. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass es den Eltern in absehbarer Zeit gelingen werde, ihre Kommunikations- und Kooperationsbasis soweit wieder herzustellen, dass eine Einigung hierüber möglich wäre.
Nach Abwägung aller Umstände ging das OLG - in Übereinstimmung mit der Verfahrenspflegerin - davon aus derzeit der Kindesvater besser geeignet sei, dass Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Tochter alleine auszuüben.
Dabei könne vorausgesetzt werden, dass beide Kindeseltern unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität und Förderungsfähigkeit gleichermaßen erziehungsgeeignet seien. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen bestehe au...