Leitsatz

Nicht miteinander verheiratete Eltern eines im Jahre 1993 geborenen Sohnes lebten bis 1996 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen und betreuten ihren Sohn gemeinsam. Nach der Trennung stritten sie um ihre Sorgebefugnisse. Im Jahre 1993 hatte der Kindesvater durch Standesamtsurkunde seine Vaterschaft anerkennt.

Seit der Trennung im Jahre 1996 lebte das Kind aufgrund einer Vereinbarung der Eltern von Montag bis Mittwoch bei seinem Vater und von Mittwochabend bis Freitag bei der Mutter. Die Wochenenden verbrachte er abwechselnd jeweils bei einem Elternteil. Der Vater strebte die gemeinsame elterliche Sorge an und hat am 12.2.1999 vor dem Kreisjugendamt eine Sorgeerklärung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB abgegeben. Die Mutter lehnte ein gemeinsames Sorgerecht ab, weil sie befürchtete, der Vater wolle sich in ihr Leben einmischen. Sie strebte auf Dauer das alleinige Sorgerecht an.

 

Sachverhalt

Nicht miteinander verheiratete Eltern eines im Jahres 1993 geborenen Sohnes stritten sich um die elterliche Sorge.

Dem Antrag des Vaters, die elterliche Sorge für den Sohn, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Wahl der Schullaufbahn und der beruflichen Ausbildung sowie grundlegende Entscheidungen im Bereich der medizinischen Vorsorge, "auf beide Eltern gemeinsam zu übertragen" hatte das FamG nicht stattgegeben. Eine hiergegen von ihm eingelegte Beschwerde hatte das OLG zurückgewiesen. Die zugelassene weitere Beschwerde des Vaters war ebenfalls ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung hatte der Senat ausgeführt, die gemeinsame elterliche Sorge komme bereits aus Rechtsgründen nicht in Betracht, da die Eltern nicht miteinander verheiratet seien und die nach § 1626a Nr. 1 BGB grundsätzlich erforderliche, gerichtlich nicht ersetzbare Zustimmung der Mutter fehle (BGH v. 4.4.2001 - XII ZB 3/00, FamRZ 2001, 907 ff.).

Auf die Verfassungsbeschwerde des Vaters hat das BVerfG den Senatsbeschluss sowie den Beschluss des OLG aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen. Dabei hat des § 1626a BGB insoweit für verfassungswidrig erklärt und eine gesetzliche Neuregelung gefordert, als eine Übergangsregelung für Eltern fehle, die sich noch vor Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes am 1.7.1998 getrennt hatten (BVerfGE 107, 150 ff. = FamRZ 2003, 285 ff.).

Das OLG hat das Verfahren entsprechend § 148 ZPO bis zur Einführung von Art. 224 § 2 Abs. 3 bis 5 EGBGB ausgesetzt. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens hat es die Eltern, das Kind und dessen Verfahrenspfleger persönlich angehört. Durch Beschluss vom 20.4.2004 hat das OLG die Beschwerde gegen die Entscheidung des AG und die zuletzt gestellten Anträge das Vaters zurückgewiesen, die Sorgeerklärung der Mutter zu ersetzen bzw. hilfsweise die Sorgeerklärung hinsichtlich einzelner von ihm aufgeführter Bereiche zu ersetzen.

Gegen den Beschluss des OLG wandte sich der Vater mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, die im Ergebnis ohne Erfolg blieb.

 

Entscheidung

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hielt der BGH Art. 224 § 2 Abs. 3 bis 5 EGBGB nicht für verfassungswidrig.

Art. 224 § 2 Abs. 3 EGBGB sehe die familiengerichtliche Ersetzung der fehlenden Sorgeerklärung eines Elternteils vor, wenn beide sich vor dem 1.7.1998 getrennt und vorher längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft die elterliche Verantwortung für ihr Kind getragen hätten. Allerdings müsse die so hergestellte gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl des Kindes dienen. Dies konnte nach Auffassung des BGH im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Wie auch sonst sei ein Mindestmaß an Kooperationsgemeinschaft und Konfliktfähigkeit notwendige Voraussetzung für die Übernahme von Verantwortung für ein Kind. Im vorliegenden Fall gerieten die Eltern bereits bei alltäglichen Angelegenheiten, die sie für ihren Sohn entscheiden müssten, in heftige und gütlich nicht beizulegende Streitereien. Seit mehr als einem Jahr verwehrten beide dem jeweils anderen den Zugang zu ihren Wohnungen. Die elterliche Gemeinschaft für ein Kind lasse sich in der Realität nicht verordnen. Es müsse sich die Wirklichkeit ändern, sodann könne Recht nachfolgen, nicht umgekehrt. Art. 224 § 2 Abs. 3 BGB habe damit hohe Zugangssperren, die sich nach Auffassung des BGH nicht aus der Sache herleiten ließen, so dass die Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.

Nach der Trennung der Eltern habe der Gesetzgeber davon ausgehen dürfen, dass die gegen den Willen eines Elternteils erzwungene gemeinsame elterliche Sorge regelmäßig mit mehr Nachteilen als Vorteilen für ein Kind verbunden sei und in diesen Fällen keine Vermutung für eine Kindeswohlverträglichkeit bestehe. § 1672 BGB spiele bei der Abwägung dagegen keine Rolle.

Eine Übertragung einzelner Sorgebefugnisse auf den Vater komme von vornherein nicht in Betracht. Mit ihren Sorgeerklärungen könnten die Eltern nur umfassend die elterliche Sorge für sich begründen, für eine gerichtliche Entscheidung nach Art. 224 § 2 Abs. 3 EGBGB könnten keine anderen Voraussetzungen gelten.

 

Hinweis

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