Leitsatz
Aus der nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Beteiligten zu 1) und 2) waren zwei in den Jahren 1998 und 2000 geborene minderjährige Kinder hervorgegangen. Im Jahre 2000 heirateten die Beteiligten zu 1) und 2). Die Ehe wurde im Januar 2004 in den Niederlanden geschieden. Die von dem Beteiligten zu 1) begehrte Umgangsregelung wurde vom niederländischen Gericht einer späteren Entscheidung vorbehalten. Die Beteiligten wurden gemeinsam mit der elterlichen Sorge "beauftragt". Anschließend wurde das Umgangsrecht des Beteiligten zu 1) mit den in der alleinigen Obhut der Beteiligten zu 2) verbliebenen Kindern geregelt.
Im Dezember 2005 ist die Beteiligte zu 2) ohne Rücksprache und ohne Zustimmung des Beteiligten zu 1) mit beiden Kindern nach Deutschland verzogen.
Im September 2006 hat der in den Niederlanden verbliebene Beteiligte zu 1) beim AG den Antrag eingereicht, auf der Grundlage des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKiEntÜ) die Rückgabe der Kinder anzuordnen. Nach der Anhörung der Kinder hat das AG die Beteiligte zu 2) verpflichtet, die Kinder innerhalb einer Woche nach Rechtskraft seines Beschlusses zurückzuführen. Die Entscheidung nebst Nebenentscheidungen ist dem Verfahrenspfleger der Kinder am 1.11.2006 und der Beteiligten zu 2) am 2.11.2006 zugestellt worden. Sowohl der Verfahrenspfleger als auch die Beteiligten zu 2) legten hiergegen sofortige Beschwerde ein, die im Ergebnis nicht erfolgreich waren.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Nach Auffassung des OLG war die erstinstanzliche Entscheidung aufrechtzuerhalten. Nach Art. 11 der EG-Verordnung Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003 (Brüssel-IIa-VO) i.V.m. Art. 12 des HKiEntÜ habe das erstinstanzliche Gericht die sofortige Rückgabe der Kinder anzuordnen gehabt.
Die Brüssel-IIa-VO und das HKiEntÜ habe auch für die betroffenen Kinder gegolten. Beide Kinder hätten unmittelbar vor der Verletzung des Sorgerechts des Beteiligten zu 1) oder seines Rechts zum persönlichen Umgang ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden und das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt.
Das Verbringen der Kinder in die Bundesrepublik Deutschland gelte als widerrechtlich, da dadurch das Mitsorgerecht verletzt worden sei, dass das in den Niederlanden wohnenden Beteiligten zu 1) nach dem dortigen Recht zustehe und dieses Recht im Zeitpunkt des Verbringens tatsächlich ausgeübt worden sei bzw. ausgeübt worden wäre, wenn die Kinder nicht nach Deutschland verbracht worden wären.
Dem betroffenen Elternteil brauche nur das Recht zuzustehen, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen. Schon bei einer Verletzung eines solchen "Mitspracherechts" sei ein widerrechtliches Verbringen der Kinder anzunehmen. Der Rückgabeantrag sei auch innerhalb einer Frist von weniger als einem Jahr seit dem Verbringen der Kinder in die Bundesrepublik gestellt worden. Infolgedessen sei die Rückgabe der Kinder unabhängig davon anzuordnen gewesen, ob sich die Kinder in die neue Umgebung eingelebt hätten.
Nach dem HKiEntÜ könne ein Gericht zwar von der Rückgabe eines Kindes absehen, wenn die Person, die sich der Rückgabe widersetze, hier also die Kindesmutter, nachweise, dass die Rückgabe mit einer schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden sei oder das Kind auf andere Art und Weise in unzumutbare Lage bringe (Art. 13 Abs.1 Buchst. b HKiEntÜ) oder wenn festgestellt werde, dass sich das Kind der Rückgabe widersetze und es ein Alter oder eine Reife erreicht habe, angesichts deren des angebracht erscheine, seine Meinung zu berücksichtigen (Art. 13 Abs. 2 HKiEntÜ).
Im Hinblick auf das Alter der Kinder habe dem AG ein weiter Ermessensspielraum zugestanden.
Im Übrigen sei bei der gerichtlichen Umgangsregelung von den niederländischen Gerichten bereits festgestellt worden, dass die Kinder gern zu ihrem Vater gingen und den Kontakt mit ihm sehr schätzten. Sie reagierten begeistert auf ihn und fühlten sich vertraut bei ihm, irgendwelche Gefahren für das Wohl der Kinder seien nicht ersichtlich. Ein von der Beteiligten zu 2) angestrengtes Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs der Kinder sei mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Ein Prozesskostenhilfegesuch für ein beabsichtigtes Klageerzwingungsverfahren sei mangels Erfolgsaussicht abgewiesen worden.
Auch in Zweifelsfällen sei eine Rückgabe von Kindern anzuordnen. Eine darin liegende Beeinträchtigung der Interessen von Kindern sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Link zur Entscheidung
OLG Naumburg, Beschluss vom 28.11.2006, 8 WF 153/06