Häufig wird in Übertragungsverträgen ein Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB zugunsten des Übergebers vereinbart. Wenn der Wohnungsberechtigte dann in ein Pflegeheim zieht, stellt sich regelmäßig die Frage, ob aus dem Wohnungsrecht ein Zahlungsanspruch hergeleitet werden kann.

 
Praxis-Beispiel

Die Mutter M hat ihrer Tochter T vor 12 Jahren ihre Immobilie übertragen und sich an der 2. Etage ein Wohnungsrecht vorbehalten. Nachdem M in ein Pflegeheim gekommen ist und Sozialhilfe erhält, meint das Sozialamt, T habe die 2. Etage im Hinblick auf das von M nicht mehr ausübbare Wohnungsrecht zu vermieten und die Mieten seien an das Sozialamt abzuführen.

Das Sozialamt liegt im obigen Beispielsfall falsch. Denn ein Wohnungsrecht berechtigt nur zu einer eingeschränkten, nämlich der persönlichen Nutzung der umfassten Räume durch den Wohnungsberechtigten. Es umfasst nicht das Recht zu einer Überlassung der Räume an Dritte. Kann der Inhaber eines dinglichen Wohnrechts dieses wegen Pflegebedürftigkeit nicht mehr ausüben, steht ihm regelmäßig auch kein Anspruch auf Zahlung einer Geldrente unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu. Das OLG Koblenz[1] hat hierzu im Jahr 2006 wie folgt ausgeführt:

"...Wenn die Parteien auf dieser gesetzlichen Grundlage bewusst ein dingliches Wohnrecht und eben keine andere, eine (entgeltliche) Überlassung des Wohnraums an Dritte erlaubende Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen (z. B. Nießbrauchsbestellung) gewählt haben, kann dies nicht nachträglich, auch nicht im Interesse von Sozialhilfeträgern, im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung "korrigiert" werden. Zudem liegen die Voraussetzungen für eine Anwendung des Instituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in diesen Fällen regelmäßig nicht vor. Regelmäßig ist das Pflegeheimrisiko für die Parteien eines Grundstücksübertragungsvertrages mit Wohnrechtsbestellung vorhersehbar, wenn nicht gar bekannt. Trotzdem wollen die Beteiligten keine dahin gehende Risikoübernahme durch den neuen Eigentümer (die sie dann ja geregelt hätten). Für die Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage fehlt es damit an dem erforderlichen „hypothetischen Element“, dass der Vertrag in Kenntnis des Risikos anders geschlossen worden wäre..."

Werden die mit einem Wohnungsrecht belasteten Räumlichkeiten nach dem endgültigen Umzug des Wohnungsrechtsinhabers weitervermietet, stellt sich die Frage, wem die Mieteinnahmen zustehen. Die Sozialämter stellen sich in solchen Fällen oft auf den Standpunkt, dass die Mieteinkünfte dem im Pflegeheim lebenden Wohnrechtsinhaber zustehen und leiten die entsprechenden Ansprüche nach § 93 SGB XII auf sich über. Hierzu sagt der BGH[2]:

"...Bei der Ergänzung des Vertragsinhalts ist darauf abzustellen, was redliche und verständige Parteien in Kenntnis der Regelungslücke nach dem Vertragszweck und bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 24. Januar 2008, III ZR 79/07, NJW-RR 2008, 562, 563 m. w. N.). Im Hinblick darauf, dass eine Rückkehr der Mutter aus dem Pflegeheim in absehbarer Zeit offenbar nicht zu erwarten und die ihr überlassene Wohnung zur Vermietung an Dritte geeignet ist, spricht viel dafür, den Vertrag dahin zu ergänzen, dass die Beklagte berechtigt sein soll, die Wohnung zu vermieten."

"Bei der Feststellung, wem die Einnahmen aus einer von der Beklagten vorgenommenen Vermietung zustehen, wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass das Wohnungsrecht einen Teil der Altersvorsorge der Mutter darstellt, und dass ein Grund, weshalb ihr Umzug in ein Pflegeheim zu einer wirtschaftlichen Besserstellung der Beklagten führen soll, nicht erkennbar ist (vgl. zu diesen Aspekten: Senat, Urt. v. 19. Januar 2007, V ZR 163/06, NJW 2007, 1884, 1887 sowie Auktor, MittBayNot 2008, 14, 17). Das könnte für die Richtigkeit der von dem Landgericht vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung sprechen."

"Dagegen wird eine Verpflichtung der Beklagten, die Wohnung zu vermieten, angesichts des Charakters des Wohnungsrechts als eines im Grundsatz höchstpersönlichen Nutzungsrechts dem hypothetischen Parteiwillen im Zweifel nicht entsprechen. Zwar kann dessen Ausübung einem Dritten überlassen werden; dies erfordert jedoch die Gestattung des Eigentümers (§ 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB). Enthält der Übergabevertrag, hier also der Grundstücksübertragungsvertrag aus dem Jahr 1979, eine solche Gestattung nicht, spricht dies dafür, dass der Eigentümer im Fall des Unvermögens des Berechtigten, sein Wohnungsrecht auszuüben, auch schuldrechtlich nicht verpflichtet sein sollte, die Nutzung durch Dritte zu dulden."

"Ebensowenig wird im Zweifel anzunehmen sein, dass ein dem Wohnungsberechtigten nahestehender Eigentümer verpflichtet sein soll, ein Nutzungsentgelt an den Wohnungsberechtigten zu zahlen, wenn er die Wohnung für eigene private Zwecke nutzt oder wenn er sie einem nahen Familienangehörigen zur Nutzung überlässt. Die familiäre Verbundenheit wird häufig, wenn auch ni...

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