Leitsatz
Die Klägerin als örtlicher Sozialhilfeträger machte aus übergegangenem Recht Elterunterhalt gegen den Beklagten geltend, zu dem dieser ggü. seiner Mutter - der Hilfeempfängerin - verpflichtet war. Ursprünglich wurden 2.176,00 EUR klageweise geltend gemacht. Nach einer teilweisen Klagerücknahme hat das erstinstanzliche Gericht für März 2006 bis Juli 2007 insgesamt 2.049,00 EUR nebst Verzugszinsen sei dem 8.8.2007 zugesprochen.
Gegen das erstinstanzliche Urteil legte der Beklagte Berufung ein und verfolgte weiterhin Abweisung der Klage.
Sein Rechtsmittel erwies sich als zum Teil begründet.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, die Mutter des Beklagten habe ihren Anspruch auf Verwandtenunterhalt weder ganz noch teilweise nach § 1611 Abs. 1 BGB verloren.
Zwar könne Trunksucht grundsätzlich als sittliches Verschulden im Sinne der vorgenannten Vorschrift in Betracht kommen (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 68. Aufl., § 1611 Rz. 3).
Voraussetzung sei aber weiter, dass die Unterhaltsbedürftigkeit gerade auf diesem Verschulden beruhe. Bereits nach dem eigenen Vortrag des Beklagten sei dies hier nicht der Fall. Vielmehr beruhe die Bedürftigkeit seiner Mutter letztendlich auf deren persönlichen Lebensumständen. Dazu, ob sie aufgrund ihrer persönlichen Voraussetzungen überhaupt eine reale Chance gehabt habe, eine selbständig wirtschaftliche Lebensstellung durch Erwerbstätigkeit aufzubauen, fehle hinreichender Vortrag. Es könne deshalb dahinstehen, ob der Alkoholkonsum der Hilfeempfängerin tatsächlich ein solches Ausmaß angenommen habe, dass von einem sittlichen Verschulden auszugehen sei.
Ebenso wenig könne davon ausgegangen werden, dass die Mutter des Beklagten ihre Unterhaltspflicht ihm ggü. gröblich vernachlässigt habe. Auch dafür, dass sie sich ihm ggü. einer schweren Verfehlung schuldig gemacht habe, fehle substantiierter Vortrag.
Auch eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach § 242 BGB kam nach Auffassung des OLG nicht in Betracht.
Zum Ausschluss des Anspruchsübergangs führte das OLG aus, dass nach § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII ein nach bürgerlichem Recht zustehender Unterhaltsanspruch nicht übergehe, soweit der Übergang eine unbillige Härte bedeuten würde. Ob und ggf. in welchem Umfang dies der Fall sei, müsse aus der Sicht des Sozialhilferechts beurteilt werden. Danach liege eine unbillige Härte vor, wenn mit dem Anspruchsübergang soziale Belange vernachlässigt würden. Dies könne insbesondere angenommen werden, wenn und soweit die Heranziehung des Unterhaltspflichtigen für diesen und seine übrigen Familienmitglieder in Anbetracht seiner sozialen und wirtschaftlichen Lage zu einer nachhaltigen und unzumutbaren Beeinträchtigung führen würde (vgl. BGH NJW 2004, 1298).
Davon sei hier nur in dem Umfang auszugehen, in dem der Unterhaltsanspruch auf den Erwerbseinkünften der Ehefrau des Beklagten beruhe. Diese beziehe bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigende Erwerbsunfähigkeitsrente, sei unstreitig zu 100 % schwerbehindert und in Pflegestufe III eingruppiert. Gleichwohl übe sie als mathematisch-technische Assistentin am PC-Heimarbeitsplatz eine geringfügige Beschäftigung aus, um zum Familienunterhalt beizutragen. Die Heranziehung dieses unterhaltsrechtlich deutlich überobligatorisch erzielten Erwerbseinkommens seiner Ehefrau bei der Inanspruchnahme des Beklagten für die seiner Mutter gewährte öffentliche Hilfe würde zu einer nachhaltigen und unzumutbaren Beeinträchtigung seiner ehelichen Lebensverhältnisse gemäß § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII führen.
Link zur Entscheidung
OLG Celle, Urteil vom 09.12.2009, 15 UF 148/09