Rz. 529
Kommt es zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, fingiert das Gesetz (Sec. 129 Insolvency Act 1986) den Beginn des Verfahrens rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung. Befindet sich die Gesellschaft bereits in einem freiwilligen Auflösungsverfahren, wirkt die Eröffnung des Verfahrens auf den Zeitpunkt des Gesellschafterbeschlusses über die freiwillige Auflösung zurück.
Rz. 530
Die rückwirkende Eröffnung des Verfahrens wirft in der Praxis Probleme auf, wenn zwischen der Antragstellung und Verfahrenseröffnung Vermögensgegenstände von der Gesellschaft veräußert worden sind oder Zahlungen auf und von einem Kontokorrentkonto der Gesellschaft getätigt worden sind. Das Gesetz verbietet Veräußerungen nach Verfahrenseröffnung. Die der Veräußerung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte sind rückwirkend unwirksam (Sec. 127 Insolvency Act 1986), es sei denn, der Vertragspartner der Gesellschaft erwirkt einen gerichtlichen Beschluss, der die Wirksamkeit der Veräußerung bestätigt. In der Vergangenheit war die Rechtsprechung hierzu im Fluss und sah mitunter vor, dass die Rückwirkung nicht gegenüber Gläubigern, die im Zeitraum zwischen der Antragstellung und der Verfahrenseröffnung Auszahlungen vom Kontokorrentkonto der Gesellschaft erhalten haben, eintritt. Die Anweisungen der Gesellschaft an die Bank, Geldbeträge an die Gläubiger auszuzahlen, sei grundsätzlich wirksam. Mit Blick auf Bankeinzüge durch Gläubiger hat sich dies in tatsächlicher Hinsicht mit der Entscheidung des High Court in Re MKG Convenience Ltd (in Liquidation) v Nisa Retail Ltd wohl erledigt, bei der das Gericht einer Rückforderung stattgegeben und eine Genehmigung abgelehnt hat.
Rz. 531
Der Liquidator hat als Insolvenzverwalter umfassende Befugnisse zur Verwertung des Vermögens der Gesellschaft. Ihm steht auch eine umfassende Vertretungsmacht für die Gesellschaft zu, da er als Organ (agent) der Gesellschaft angesehen wird. Die Befugnisse der Geschäftsführer enden im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Sie sind im Einzelnen im Gesetz definiert (Sec. 165–168 Insolvency Act 1986 und Schedule 4).
Rz. 532
Bei der Verwertung der Vermögensgegenstände und Befriedigung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft unterliegt der Insolvenzverwalter der Aufsicht durch das Insolvenzgericht (Sec. 144 Insolvency Act 1986), und bestimmte, im Gesetz niedergelegte Handlungen bedürfen der Zustimmung des Insolvenzgerichts. Als Organ der Gesellschaft treffen ihn auch die Loyalitäts- und Treuepflichten, welche ansonsten die Geschäftsführer treffen und deren Verletzung eine persönliche Haftung begründen kann.
Rz. 533
Der Insolvenzverwalter hat das Gebot der Gleichbehandlung der Gläubiger (pari passu-Prinzip) zu berücksichtigen. Dennoch kennt das englische Recht auch bevorzugte Rechte von Gläubigern mit dinglichen Sicherheiten (Sec. 143 und 156 Insolvency Act 1986). Allerdings sind bevorzugte Gläubiger nicht mit der Herausgabe des Vermögensgegenstands aus der Masse, sondern nur vorrangig mit den aus der Verwertung erzielten Erlösen zu befriedigen. Treffen mehrere bevorzugte Gläubiger aufeinander, sind die Rangverhältnisse zwischen diesen Gläubigern nach den gesetzlichen Vorgaben zu ermitteln (Sec. 175 Insolvency Act 1986).
Rz. 534
Mit dem Ende des Verfahrens muss der Liquidator die Löschung der Gesellschaft im Register beantragen. Hierzu muss er eine abschließende Gläubigerversammlung einberufen. Anschließend muss er dem Register mitteilen, dass die abschließende Gläubigerversammlung abgehalten wurde. Das Register registriert, dass die Schlussversammlung der Gläubiger stattgefunden hat. Mit Ablauf der folgenden drei Monate nach der Registrierung gilt die Gesellschaft als gelöscht.