Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 21 Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG
Kommentar
1. Als Maßnahme der Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums können die Wohnungseigentümer die Entfernung der auf einem Tiefgaragendach stehenden Bäume mit Stimmenmehrheit beschließen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Baumwurzeln in die schon beschädigte Dichtungsschicht eindringen und weitere Schäden verursachen. Dies gilt auch dann, wenn die Bäume das Erscheinungsbild der Wohnanlage prägen und Straßenlärm abschwächen.
2. Bauliche Veränderungsmaßnahmen im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG sind allerdings einer Mehrheitsentscheidung nicht zugänglich, wobei von baulicher Veränderung im Sinne dieser Vorschrift nur dann zu sprechen ist, wenn es sich um auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderungen realer Teile des gemeinschaftlichen Eigentums handelt; die gärtnerische Umgestaltung einer Gartenfläche ist keine bauliche Veränderung, solange sie nicht mit einer gegenständlichen Veränderung des Grundstücks verbunden ist, z.B. durch Anlegung eines Plattenweges. Das Bepflanzen des gemeinschaftlichen Grundstücks (z.B. mit einer Hecke) ist daher keine bauliche Veränderung; nichts anderes kann für die Beseitigung einer Bepflanzung gelten.
3. Im vorliegenden Fall ging es bei der Mehrheitsentscheidung der Eigentümer auf Entfernung der Bäume um ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums; dazu gehören auch Pflege und Erhaltungsmaßnahmen, die das Eintreten von Schäden verhindern sollen. Bestehen Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt, müssen Wohnungseigentümer nicht abwarten, bis konkrete Schäden größeren Ausmaßes tatsächlich eingetreten sind; vielmehr dürfen sie wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen auch vorsorglich treffen (wie hier unter Hinweis auf ein Sachverständigengutachten). Eigentümer konnten deshalb hier zur Vermeidung neuer Schäden durch Eindringen von Baumwurzeln in die Bitumenschicht der Tiefgaragendecke als Maßnahme ordnungsgemäßer Instandhaltung gem. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG die Entfernung der Bäume mit Stimmenmehrheit gem. § 21 Abs. 3 WEG beschließen.
4. Keine außergerichtliche Kostenerstattung in allen Rechtszügen bei Geschäftswertansatz für das Rechtsbeschwerdeverfahren von 20.000 DM.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 02.05.1996, 2Z BR 24/96= NJW-RR 19/96, 1166)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Dass bei bestehenden (weiteren) Schadensrisiken gemeinschaftlicher Bauteile durch Wurzelwerk auch Bäume in mit einfacher Beschlussmehrheit im Rahmen einer ordnungsgemäßen Instandhaltungsmaßnahme entfernt werden können, vielleicht sogar entfernt werden müssen, ist sicher nicht zu beanstanden. Auch das Bepflanzen eines gemeinschaftlichen Grundstücks gehört sicher im Regelfall zu Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung und Gebrauchsregelung.
Generell jedoch zu sagen, dass nichts anderes für die Beseitigung einer Bepflanzung gelten könne, erscheint mir nicht ohne weiteres vertretbar. Ohne Grund (also z.B. ohne zumindest wahrscheinliche Schadensrisiken) bestehenden Baumbestand auf einem gemeinschaftlichen Grundstück zu entfernen, kann m.E. auch eine gegenständliche Veränderung des Grundstücks darstellen, da Bäume nach Anpflanzung über das Wurzelwerk ebenfalls Bestandteil des gemeinschaftlichen Eigentums geworden sind. Das Entfernen von Baumbestand ohne Grund ist deshalb m. E. durchaus wohnungseigentumsrechtlich grundsätzlich als nachteilige bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums zu werten; gleiche Grundsätze können u. U. auch für Neubepflanzungen gelten. Entscheidungskriterium sollte in diesen Fällen ebenfalls stets der Begriff "objektiver Nachteilswirkung" (einschließlich drohender Gefährdungen) bleiben.