Mit Art. 63 Abs. 1 EuErbVO wurde das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) eingeführt. Dieses ist "zur Verwendung durch Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter bestimmt, die sich in einem anderen Mitgliedstaat auf ihre Rechtsstellung berufen oder ihre Rechte als Erben oder Vermächtnisnehmer oder ihre Befugnisse als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter ausüben müssen".
Wenngleich das ENZ gemäß Art. 63 Abs. 2 lit. a) EuErbVO auch als Nachweis über die Rechtsstellung bzw. die Rechte eines jeden Erben anzusehen ist und diesem öffentlicher Glaube zukommt, so wird hierdurch der Erbschein nach nationalem Recht nicht ersetzt (vgl. Art. 62 Abs. 3 EuErbVO). Vielmehr tritt das ENZ als weiteres Instrument daneben, um insbesondere die Abwicklung grenzüberschreitender Erbrechtsangelegenheiten zu erleichtern.
12.2.4.1 Voraussetzung der Ausstellung
Die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses setzt einen grenzüberschreitenden Bezug voraus, was regelmäßig bedeutet, dass sich der Nachlass in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union befindet als der Nachlassberechtigte. Diese Voraussetzung hat der Verordnungsgeber durch seine Formulierung "zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat" in Art. 62 Abs. 1 EuErbVO eindeutig zum Ausdruck gebracht.
Da ein ENZ gemäß Art. 65 Abs. 1 EuErbVO nur auf Antrag ausgestellt wird, muss der internationale Zusammenhang bei der Antragstellung zwingend ("muss") angegeben werden (vgl. Art. 65 Abs. 3 lit. f) EuErbVO). Andernfalls fehlt es am Ausstellungsbedürfnis eines ENZ. Ohne grenzüberschreitenden Bezug kommt ohnehin lediglich die Ausstellung eines Erbscheines nach nationalem Recht in Betracht. Das zuständige Gericht wurde seitens des Verordnungsgebers gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 1 EuErbVO sogar dazu ermächtigt das Vorliegen vorgenannter Voraussetzung zu überprüfen. In diesem Zusammenhang ist es auch befugt den Antragsteller zur Vorlage geeigneter Nachweise aufzufordern und ihn somit zur Mitwirkung anzuhalten.
Das nationale (Nachlass-)Gericht prüft den internationalen Bezug im Rahmen seiner Amtsermittlung.
12.2.4.2 Verfahren
Das Europäische Nachlasszeugnis wird ausschließlich auf Antrag erteilt. Die internationale Zuständigkeit richtet sich hierbei nach Art. 64 Satz 1 i. V. m. Art. 4, 7, 10 und 11 EuErbVO. Die sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit richten sich wiederum nach dem jeweiligen nationalen Recht der Mitgliedstaaten (vgl. Art. 64 Satz 2 EuErbVO).
In Deutschland sind gemäß § 34 Abs. 4 IntErbRVG die Amtsgerichte – Nachlassgericht – ausschließlich sachlich zuständig. § 34 Abs. 1 bis 3 IntErbRVG regelt die örtliche Zuständigkeit.
In funktioneller Hinsicht muss bei der Zuständigkeit allerdings unterschieden werden. Grundsätzlich entscheidet über die Erteilung des ENZ der Rechtspfleger gemäß § 3 Nr. 2 lit. i) RpflG. Im Falle des Vorliegens einer Verfügung von Todes wegen oder im Falle der Anwendung ausländischen Rechts bleibt die Entscheidung dem Richter vorbehalten (§ 16 Abs. 2 Satz 1 RpflG).
Die sich aus Art. 63 Abs. 1 EuErbVO ergebenden Antragsberechtigten – Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter – können das hierfür vorgesehene Formblatt verwenden (vgl. Art. 65 Abs. 2 EuErbVO). Im Rahmen der Antragstellung sollte genauestens darauf geachtet werden, dass alle nach Art. 65 Abs. 3 EuErbVO erforderlichen Unterlagen in der geforderten Form beigefügt werden.
Das Gericht prüft den Antrag sowie die eingereichten Schriftstücke umfassend, wobei es weitere Nachforschungen von Amts wegen durchführen kann und gemäß Art. 66 Abs. 5 EuErbVO sogar auf die Mitwirkung anderer mitgliedschaftlicher Behörden zurückgreifen kann. Letztere sind auch verpflichtet mitzuwirken und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen (transnationale Amtshilfe).
Ergibt die abschließende rechtliche Würdigung des zugrundeliegenden Sachverhalts, dass der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an einem ENZ hat, so stellt das Gericht dieses aus (Art. 67 Abs. 1 EuErbVO). Hierzu hat es das Formblatt V (Anhang 5) der EuErbVO-Durchführungsverordnung zu verwenden.
Die Gründe für eine Zurückweisung des Antrages regelt Art. 67 Abs. 1 Satz 3 EuErbVO. Hiergegen kann der Antragsteller Beschwerde zum Oberlandesgericht einlegen (vgl. Art. 72 EuErbVO, § 43 IntErbRVG). Die einzuhaltende Frist beträgt bei einem Beschwerdeführer, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, einen Monat ab Bekanntgabe (vgl. § 43 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 IntErbRVG). Hat der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, so beträgt die Frist zwei Monate ab Bekanntgabe (vgl. § 43 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 IntErbRVG).
Dem Antragsteller wird – zur Vermeidung einer missbräuchlichen Verwendung – lediglich eine beglaubigte Abschrift des ENZ ausgehändigt, da die Urschrift stets in den Akten der Ausstellungsbehörde, in Deutschland also des Nachlassgerichtes, verbleibt (Art. 70 Abs. 1 EuErbVO).
Eine weitere Besonderheit enthält das ENZ im Vergleich zum nationalen Erbschein, ind...