Ist ein erteilter und ausgehändigter Erbschein unrichtig, muss das Gericht ihn einziehen, § 2361 BGB i. V. m. §§ 26, 353 FamFG. Das Einziehungsverfahren nach § 2361 BGB – als Spiegelbild zum Erteilungsverfahren – spielt sowohl im Nachlassverfahren bei der Testamentseröffnung und Einziehung eines unrichtigen Erbscheins als auch im Grundbuchverfahren im Falle eines Amtswiderspruchs gegen eine Grundbucheintragung oder der Amtslöschung einer Grundbucheintragung eine Rolle.
Auf welchem Wege das Gericht von der Unrichtigkeit Kenntnis erlangt, spielt hierfür keine Rolle, da es sich hierbei um ein sog. Amtsverfahren handelt, in dem die Offizialmaxime gilt. Das Gericht ist in jeder Hinsicht "Herr des Verfahrens" und "Anträge" sind rechtlich nur als "Anregungen" zu bewerten.
Die in § 2259 Abs. 1 BGB geregelte Ablieferungspflicht von Testamenten gilt grundsätzlich auch dann, wenn das ältere Testament hinsichtlich der darin festgelegten Erbfolge nicht von einem zeitlich jüngeren Testament abweicht. Entsprechend trifft eine ablieferungspflichtige Person – dazu gehören auch (Familien-)Rechtsanwälte, in deren Akten sich noch ein Testament der Mandantschaft befindet! – dem Grunde nach ein Verschulden; § 2259 Abs. 1 BGB ist ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB.
Berichtigungen des Erbscheins sind wegen des ihm zukommenden öffentlichen Glaubens grundsätzlich ausgeschlossen (§ 42 FamFG). Allein offensichtliche Schreibfehler und ähnliche Unrichtigkeiten der ursprünglichen Erteilungsverfügung können ergänzt oder berichtigt werden; entbehrliche oder unzulässige Zusätze im Erbschein, die nicht am öffentlichen Glauben teilhaben, können jederzeit berichtigt werden.
12.7.1 Ermittlungspflicht des Nachlassgerichts
Erlangt das Gericht Kenntnis von Tatsachen, die Zweifel an der Richtigkeit eines Erbscheins aufkommen lassen, so hat es die erforderlichen Ermittlungen einzuleiten, da eine Einziehung nur dann in Betracht kommt, wenn eine abschließende Aufklärung des Sachverhalts erfolgt ist.
Ist die Überzeugung des Nachlassgerichts hinsichtlich des Erbrechts "über einen bloßen Zweifel hinaus erschüttert" oder das Nachlassgericht von der Unrichtigkeit des Erbscheins überzeugt, so ist dieser einzuziehen.
Die Feststellungslast bei der Unaufklärbarkeit von Tatsachen trifft hierbei grundsätzlich denjenigen, der sich auf die Unrichtigkeit des Erbscheins beruft.
12.7.2 Voraussetzungen
Zuständigkeit
Zuständig für die Einziehung ist immer das Nachlassgericht, das den Erbschein erteilt hat. Dies gilt für die internationale, die örtliche und die funktionale Zuständigkeit und auch für den Fall, dass ein unzuständiges Gericht den Erbschein erteilt hat.
Unrichtigkeit
Bei Vorliegen schwerer Verfahrensfehler ist auch ein materiell richtiger Erbschein einzuziehen. Dies ist insbesondere beim Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen zu bejahen. Hierzu zählen u. a. Verstöße gegen die Amtsermittlungspflicht, eine Erbscheinserteilung abweichend vom oder gänzlich ohne Antrag und ein Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses.
Bei Zuständigkeitsmängeln ist zu differenzieren: So ist der Erbschein bei mangelnder örtlicher Zuständigkeit einzuziehen, ebenso, wenn der Rechtspfleger einen Erbschein aufgrund gewillkürter Erbfolge erteilt hat. Erteilt der Rechtspfleger dagegen einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, obwohl ein Beteiligter das Vorhandensein eines Testaments allein behauptet hatte und daher der Richter zuständig gewesen wäre, ist der Erbschein nicht einzuziehen.
Darüber hinaus führt jede materielle Unrichtigkeit des Erbscheins zu seinem Einzug und sei es, dass er allein eine Beschränkung nicht ausweist.
Befinden sich mehrere widersprüchliche Erbscheine im Umlauf, sind auch diese einzuziehen.
12.7.3 Entscheidung im Einziehungsverfahren
Endet das Verfahren nicht in einer Einziehung des überprüften Erbscheins, so ergeht, soweit keine Anregung zur Einleitung des Verfahrens führte, eine Einstellung durch Aktenvermerk. Im Falle einer Anregung ergeht ein beschwerdefähiger Beschluss nach § 353 Abs. 1 FamFG.
Hat anstatt des für die Einziehung funktionell zuständigen Richters der Rechtspfleger entschieden, ist die Sache – auch wenn die Entscheidung inhaltlich richtig ist – vom Beschwerdegericht aufzuheben, an das Nachlassgericht zurückzuverweisen und dort dem Richter vorzulegen.
Ist der Erbschein aufgrund Unrichtigkeit einzuziehen, ergeht unter Fristsetzung eine "Einziehungsanordnung" mit dem Inhalt, dass der Erbschein abzuliefern ist. Hiervon zu unterscheiden ist der tatsächliche Vollzug der Einziehung. Die Einziehung ist abgeschlossen, sobald die Urschrift und sämtliche Ausfertigungen wieder an das Nachlassgericht zurückgegeben worden sind und der Erbschein damit kraftlos i. S. d. § 2361 Satz 2 BGB geworden ist. Zur Durchsetzung der Rückgabe können Zwangsmittel angeordnet werden.
Ist die Einziehung nicht oder jedenfalls nicht unverzüglich möglich, so hat das Nachlassgericht einen Kraftloserklärungsbeschluss zu erlassen, der unter den Voraussetzungen der § 2361 BGB, § 353 Fa...