Entscheidungsstichwort (Thema)
Funktionelle Richterzuständigkeit im Einziehungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Es ist unabhängig vom Verfahrensergebnis die funktionelle Zuständigkeit des Richters des Nachlassgerichts begründet, wenn eine letztwillige Verfügung den Anlass zur Prüfung gibt, ob ein vom Rechtspfleger aufgrund gesetzlicher Erbfolge erteilter Erbschein einzuziehen ist.
Normenkette
RPflG § 16 Abs. 1 Nr. 17
Verfahrensgang
AG Hagen (Beschluss vom 03.02.2016; Aktenzeichen 36 VI 594/15) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Einziehung des Erbscheins des AG Hagen vom 13.7.2015 an die Amtsrichterin/den Amtsrichter des AG - Nachlassgericht - Hagen zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I Die Beteiligte zu 1) ist die Witwe des Erblassers; die Beteiligten zu 2) und 3) sind die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder. Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragten am 18.6.2015 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, wonach aufgrund gesetzlicher Erbfolge die Beteiligte zu 1) Miterbin zu ½ und die Beteiligten zu 2) und 3) Miterben zu je ¼ geworden seien. In dem Erbscheinsantrag gaben die Beteiligten zu 1) und 2) u.a. an, dass der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen hinterlassen habe. Das AG Hagen erließ nach Anhörung der Beteiligten zu 3) antragsgemäß am 13.7.2015 den beantragten gemeinschaftlichen Erbschein.
Im September 2015 teilte die Beteiligte zu 1) dem Nachlassgericht über ihren Verfahrensbevollmächtigten mit, dass der erteilte Erbschein unrichtig sei, weil sie wegen eines in den 1980er Jahren errichteten gemeinschaftlichen Ehegattentestaments Alleinerbin geworden sei. Das Testament befinde sich bei dem Rechtsanwalt, der sie und den Erblasser 1986 wegen der Errichtung eines Testaments beraten und auch einen Testamentsentwurf gefertigt habe, so dass sie - die Beteiligte zu 1) - das Testament nicht mehr in Erinnerung gehabt habe. Nachdem Anfragen der Rechtspflegerin bei verschiedenen Rechtsanwälten nicht zu einem Auffinden eines Testaments geführt hatten, legte die Rechtspflegerin die Akten der Nachlassrichterin vor mit der Bitte um Mitteilung, ob der Erbschein eingezogen werden solle. Die Nachlassrichterin vertrat in einem Aktenvermerk vom 03.12.2015 die Auffassung, dass zwar die Errichtung eines Testaments nachgewiesen sei, nicht aber das Ausbleiben eines Widerrufs, so dass der Erbschein ihrer Auffassung nach nicht einzuziehen sei. Sie schrieb die Akte wieder der Rechtspflegerin zu. Diese erhielt sodann von dem Rechtsanwalt, der die Eheleute S seinerzeit beraten hatte, die Auskunft, dass er kein Testamentsoriginal auf Dauer zur Verwahrung angenommen habe und dass die Beteiligte zu 1) ihm im Oktober 2013 mitgeteilt habe, es sei ein notarielles Testament errichtet worden.
Mit dem angegriffenen Beschluss hat die Rechtspflegerin sodann den Antrag auf Einziehung des Erbscheins zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie neben einer Bezugnahme auf den Vermerk der Nachlassrichterin ausgeführt, dass nicht unterstellt werden könne, dass kein Widerruf erfolgt sei, wenn nicht geklärt werden könne, wo das Testament sei.
Der hiergegen gerichteten Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat die Rechtspflegerin nicht abgeholfen und die Akten zur Entscheidung dem Oberlandesgericht vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Beschwerde ist nach § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Die Beschwerde hat auch in der Sache - jedenfalls vorläufig - Erfolg, weil der angefochtene Beschluss rechtswidrig ist und die Sache gem. § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG von Amts wegen an den funktionell ausschließlich zuständigen Richter des Nachlassgerichts zurück zu verweisen ist zur erneuten Entscheidung, ob der Erbschein vom 13.7.2015 einzuziehen ist.
Nimmt ein Rechtspfleger ein ihm nach dem Gesetz nicht übertragenes und auch nicht übertragbares Geschäft wahr, so ist seine Entscheidung nach § 8 Abs. 4 S. 1 RPflG unwirksam und im Rechtsmittelverfahren - unabhängig von ihrer etwaigen inhaltlichen Richtigkeit - aufzuheben (BGH Rpfleger 2005, 520; Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl., Einl. Rn. 105; Hintzen in: Arnold/Meyer-Stolte/Rellermeyer/Hintzen/Georg, RPflG, 8. Auflage, § 8 Rn. 16; Dörndorfer, RPflG, 2. Auflage, § 8 Rn. 20). Da in einem solchen Fall keine wirksame Sachentscheidung vorliegt, ist die Sache nach § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG an das Gericht des ersten Rechtzugs zurückverweisen (vgl. Senat FGPrax 2013, 215). Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben.
Nach § 16 Abs. 1 Nr. 7 RPflG ist dem Richter vorbehalten die "Einziehung von Erbscheinen (§ 2361 Bürgerlichen Gesetzbuches), wenn die Erbscheine entweder vom Richter erteilt oder wegen einer Verfügung von Todes wegen einzuziehen sind". Die funktionelle Zuständigkeit des Richters aufgrund dieser Vorschrift ist nicht auf eine Verfahrenskonstellation beschränkt, in der das Verfahren mit der Anordnung der Einziehung des erteilten Erbscheines tatsächlich abgeschlossen wir...