Durch die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft kann der Erblasser anordnen, dass sein Nachlass verschiedenen Personen zeitlich nacheinander zukommen soll. Der Vorerbe ist damit ein "Erbe auf Zeit". Wer als Vorerbe eingesetzt ist, erhält zwar mit dem Tode des Erblassers den Nachlass wie ein "gewöhnlicher" Erbe, ist aber kein vollwertiger Erbe, da er im Verhältnis zum eingesetzten Nacherben als eine Art Treuhänder fungiert. Tritt der im Testament bestimmte Nacherbfall ein, so hat der Vorerbe den Nachlass dem Nacherben herauszugeben.
Häufig wird als Nacherbfall der Tod des Vorerben bestimmt. Aber es besteht auch die Möglichkeit, dass der Testierende die Vor- und Nacherbschaft durch Festlegung anderer Zeitpunkte oder Ereignisse wie z. B. (Wieder-)Heirat des Vorerben, das Erreichen eines bestimmen Ausbildungsziels oder Volljährigkeit des Nacherben angeordnet hat um zu verhindern, dass die Substanz seines Nachlasses vom Erben verbraucht wird oder an familienfremde Personen abfließt. Mit Eintritt der festgelegten Bedingung, d. h. eines Zeitpunktes oder Ereignisses, wird der Nacherbe also unmittelbarer Erbe des Erblassers. Bei der Anordnung mehrfacher Nacherbschaft ist der erste Nacherbe seinem Nachfolger gegenüber Vorerbe.
Somit ist bei der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft besondere Vorsicht geboten, da der Vorerbe, dem lediglich die Nutzungen des Nachlasses bzw. der Vorerbschaft (mit anderen Worten: die vereinnahmten Zinsen und Mieten) zustehen, in seiner Verfügungsmöglichkeit über das ererbte Vermögen zum Schutz des Nacherben gravierenden Beschränkungen unterliegt, vgl. §§ 2113 bis 2115 BGB (Stichwort: "beschränkte Vorerbschaft" oder Eintrag des "Nacherbenvermerks" im Grundbuch in Abteilung II im Hinblick auf die Verfügungsbeschränkung für Grundbesitz). Zum Nachlass gehöriges Geld hat der Vorerbe mündelsicher anzulegen.
Wenngleich der Umfang der Verfügungsgewalt des Vorerben über den Nachlass gesetzlich beschränkt ist, so stellen diese Regelungen nur teilweise zwingendes Recht dar. Will der Erblasser den Vorerben von seinen Verpflichtungen dem Nacherben gegenüber befreien, so kann er dies im Rahmen des § 2136 BGB in Form einer letztwilligen Verfügung tun. Da im Zweifel die beschränkte Vorerbschaft angenommen wird, § 2112 BGB, sollte der Erblasser ausdrücklich testamentarisch klarstellen, dass der Vorerbe von sämtlichen Verfügungsbeschränkungen und den damit zusammenhängenden Pflichten befreit werden soll.
Vor- und Nacherbschaft haben den Zweck den Nachlass möglichst ungeschmälert für den oder die Nacherben zu erhalten. Daher gehört alles, was der Vorerbe mit Mitteln des Nachlasses erwirbt, wiederum zum Nachlass und geht im Nacherbfall auf den Nacherben über, § 2111 BGB. In diesem Zusammenhang trifft § 2136 BGB eine wichtige Regelung zum Schutze des Nacherben. Die Befreiung von den Verfügungsbeschränkungen des Vorerben durch den Erblasser ist nur eingeschränkt möglich. So ist ausweislich des eindeutigen Wortlauts eine Befreiung von der Vornahme unentgeltlicher Verfügungen über einzelne Nachlassgegenstände durch den Vorerben nicht möglich (vgl. §§ 2136, 2113 Abs. 2 BGB). Durch Schenkungen könnte der Nachlass – ohne adäquate Gegenleistung – erheblich zum Nachteil des Nacherben geschmälert werden, sodass der Nacherbe insoweit schutzbedürftig ist. Ausgenommen hiervon sind allerdings sog. Anstandsschenkungen. Zu beachten ist darüber hinaus, dass die Verfügung des Vorerben einer eingeschränkten Unwirksamkeit unterliegt, die erst mit dem Nacherbfall eintritt ("insoweit unwirksam").
Hat der Vorerbe eine Forderung gegen den Erblasser, so erlischt die Forderung mit dem Erbfall ("Konfusion"). Tritt aber der Nacherbfall ein, so ist der Nacherbe der Rechtsnachfolger des Erblassers mit der Folge, dass die alte Forderung wieder auflebt und geltend gemacht werden kann, § 2143 BGB.
Dass somit Vor- und Nacherben in einem Interessengegensatz zueinander stehen, der häufig zu Konflikten und Streitigkeiten führt, versteht sich von selbst.
Der anwaltliche Berater und/oder Prozessvertreter sollte das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Hinblick auf die sich aus §§ 356 StGB, 43a Abs. 4 und 45 BRAO ergebenden Konsequenzen unbedingt im Auge behalten!