Erbfall eingetreten
Ist bei einer nach dem Berliner Testament geregelten Erbfolge der erste Erbfall eingetreten, kann das Testament nicht mehr geändert werden, doch lässt sich erbschaftsteuerrechtlich immer noch einiges bewegen, wenn wie folgt vorgegangen wird, wobei die Reihenfolge des Vorgehens genau einzuhalten ist:
- Die Erben sagen dem überlebenden Elternteil eine Abfindung zu.
Ausschlagung
Daraufhin schlägt dieser die Erbschaft aus.
Dabei sollte man die Abfindung so bemessen, dass der Ausschlagende den persönlichen Freibetrag voll in Anspruch nehmen kann. Bei hohem Erbe empfiehlt es sich, über die Freibeträge hinaus in die steuerliche Erwerbszone hineinzugehen und den Erwerb in den unteren, steuerlich niedriger belasteten Besteuerungszonen anzusiedeln. Dadurch kann der Erwerb nach dem Tod des Zuletztversterbenden u. U. aus der Progression herausgehalten werden.
Pflichtteil geltend machen
Ist die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft versäumt worden (Ausschlagungsfrist im Regelfall sechs Wochen; hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland oder hält sich ein Erbe bei Beginn der Frist im Ausland auf, verlängert sich diese auf sechs Monate, § 1944 BGB), können die Kinder ohne zeitliche Beschränkung ihre Pflichtteilsansprüche geltend machen, durchaus in gegenseitigem Einvernehmen mit dem überlebenden Elternteil.
Die Pflichtteilsansprüche verjähren innerhalb von drei Jahren, nachdem der Berechtigte von dem Erbfall und der testamentarisch getroffenen Regelung Kenntnis erlangt hat (§ 2332 BGB), doch kann der überlebende Ehegatte bei Geltendmachung nach Fristablauf die Pflichtteilsansprüche immer noch mit erbschaftsteuerlich bindender Wirkung erfüllen. Besonders wirksam ist die Geltendmachung des Pflichtteils bei hohen Erwerben.
Beispiel
Berliner Testament einer in Zugewinngemeinschaft lebenden Familie mit einem Sohn als Schlusserben.
Beim Tod des Ehemanns als Erstversterbendem betragen der Verkehrswert des Nachlasses = Endvermögen des Ehemanns 3.000.000 EUR, das indizierte Anfangsvermögen 250.000 EUR, das indizierte Anfangsvermögen der Ehefrau 0 EUR, das Endvermögen 250.000 EUR, der Steuerwert des Nachlasses 2.000.000 EUR, der bürgerlich-rechtliche Zugewinnausgleichsanspruch nach § 1371 Abs. 1 BGB 1.250.000 EUR, der steuerrechtliche Zugewinnausgleichsanspruch 833.333 EUR (zur Berechnung vgl. Gr. 15 II Abschn. 2.7.2). Der Pflichtteilsanspruch des Sohnes beträgt 1/4 vom Verkehrswert des Endvermögens = 750.000 EUR.
Beim Tod des Ehemanns als Erstversterbendem ergibt sich die folgende Steuerberechnung, wenn kein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wurde und der Versorgungsfreibetrag nicht zusteht:
1. Nachlass zum Steuerwert |
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2.000.000 EUR |
./. Zugewinnausgleichsanspruch |
833.333 EUR |
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./. Freibetrag |
500.000 EUR |
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zusammen |
1.133.333 EUR |
1.133.333 EUR |
zu versteuern (abgerundet) |
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666.600 EUR |
Steuer 19 % = |
126.654 EUR |
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Steuer nach Härteausgleich |
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123.300 EUR |
2. Steuer bei Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs: |
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Nachlass zum Steuerwert |
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2.000.000 EUR |
./. Zugewinnausgleichsanspruch |
833.333 EUR |
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./. Pflichtteilsanspruch |
750.000 EUR |
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./. Freibetrag |
500.000 EUR |
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zusammen |
2.083.333 EUR |
2.083.333 EUR |
zu versteuern (abgerundet) |
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0 EUR |
Steuer 0 EUR |
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3. Steuer des Sohnes: |
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Pflichtteil |
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750.000 EUR |
./. Freibetrag |
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400.000 EUR |
zu versteuern |
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350.000 EUR |
Steuer = 52.500 EUR |
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Gesamtsteuer Mutter/Sohn demnach |
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0 EUR |
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+ 52.500 EUR |
zusammen |
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52.500 EUR |
ohne Geltendmachung des Pflichtteils |
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123.300 EUR |
das ist eine Ersparnis von |
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70.800 EUR |
4. Mit dem Tod der Mutter als Letztversterbender ergibt sich, unterstellt, das Vermögen des Zuerstverstorbenen ist nur um die Steuerzahlung für den ersten Steuerfall gemindert und die Mutter hat kein eigenes Vermögen hinterlassen, für den Sohn die folgende Steuer, wenn er beim ersten Steuerfall nicht seinen Pflichtteil geltend gemacht hat: |
Nachlass beim Tod des Zuerstverstorbenen 2.000.000 EUR |
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./. Steuer hierfür nach 1. |
123.300 EUR |
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./. Freibetrag |
400.000 EUR |
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Gesamtabzugsbetrag |
523.300 EUR |
523.300 EUR |
zu versteuern (abgerundet) |
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1.476.700 EUR |
Steuer 19 % = 310.004 EUR |
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5. Dagegen berechnet sich bei einem vorher um den Pflichtteilsanspruch und die Steuerzahlung des Erstverstorbenen geminderten Endvermögen die Steuer wie folgt: |
Ursprünglicher Nachlass zum Steuerwert |
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2.000.000 EUR |
./. Pflichtteilsanspruch |
750.000 EUR |
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./. entrichtete Steuer (2.) |
0 EUR |
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./. Freibetrag |
400.000 EUR |
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Gesamtabzugsbetrag |
1.150.000 EUR |
1.150.000 EUR |
zu versteuern |
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850.000 EUR |
Steuer 19 % = |
161.500 EUR |
gegenüber (4.) |
280.573 EUR, |
das sind |
119.073 EUR |
weniger als bei einem nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruch. |
Das Berliner Testament |
kostete demnach |
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beim ersten Erwerb |
70.800 EUR |
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und beim zweiten Erwerb |
119.073 EUR |
zusammen also |
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189.873 EUR |
mehr an Erbschaftsteuer als wenn der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht worden wäre. |
Die erbschaftsteuerlichen Folgen des Berliner Testaments kann man auch dadurch mildern, dass jedem Kind beim Tod des zuerstversterbenden ...