Die Besonderheit bei der Anfechtung eines Erbvertrages besteht gem. § 2281 Abs. 1 BGB darin, dass auch der Erblasser selbst eine vertragsmäßige Verfügung nach §§ 2078, 2079 BGB anfechten und auf diese Weise die erbrechtliche Bindung lösen kann.
Hinsichtlich einseitiger Verfügungen im Erbvertrag tritt an die Stelle der Anfechtung nach § 2299 BGB der Widerruf.
Insofern ist im Vorfeld einer Anfechtung auch immer zu klären, ob diese überhaupt dem Grunde nach in Frage kommt. Das Vorliegen der hierfür erforderlichen erbvertraglichen Bindungswirkung einer Regelung nach § 2278 Abs. 2 BGB ist dabei gegebenenfalls nach §§ 133, 157 BGB vorab zu ermitteln.
4.8.1.1 Vorliegen eines Willensmangels
Der Erblasser kann den Erbvertrag anfechten, soweit er über den Inhalt seiner Erklärung im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte und anzunehmen ist, dass er die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage nicht abgegeben haben würde (§ 2281 Abs. 1, § 2078 Abs. 1 BGB). Als Anfechtungsgrund ist auch der Irrtum über die Bindungswirkung des Erbvertrages anerkannt.
Das Gleiche gilt, soweit er zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist (§ 2281 Abs. 1, § 2078 Abs. 1 BGB). § 122 BGB findet insofern keine Anwendung (§ 2281 Abs. 1, § 2078 Abs. 3 BGB). Zudem kann der Erblasser den Erbvertrag anfechten, wenn er einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, dessen Vorhandensein ihm bei der Errichtung der Verfügung nicht bekannt war oder der erst nach der Errichtung geboren oder pflichtteilsberechtigt geworden ist (§ 2281 Abs. 1, § 2079 Satz 1 BGB). Die Anfechtung aus dem letztgenannten Grund ist nur möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte zur Zeit der Anfechtung lebt (§ 2281 Abs. 1 HS 2 BGB). Der Erblasser kann den Erbvertrag nicht anfechten, soweit anzunehmen ist, dass er die Verfügung auch bei Kenntnis der Sachlage getroffen haben würde (§ 2079 Satz 2 BGB).
§ 2079 Satz 2 BGB führt auch zu einer deutlichen Erschwernis der Anfechtung eines mehrseitigen Erbvertrages nach dem Tode eines Erblassers. Hier ist nicht nur auf den Willen des Überlebenden, sondern auch auf den hypothetischen Willen des vorverstorbenen Erblassers abzustellen. Anderenfalls liefe der Vertragserbe Gefahr durch die Rückwirkung der Anfechtung plötzlich als reiner Erbschaftsbesitzer zu haften.
4.8.1.2 Anfechtungserklärung des Erblassers
Der Erblasser muss grundsätzlich selbst die Anfechtung erklären und kann sich dabei nicht eines Vertreters bedienen (§ 2282 Abs. 1 BGB). Für einen geschäftsunfähigen Erblasser kann sein gesetzlicher Vertreter mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts den Erbvertrag anfechten (§ 2282 Abs. 2 BGB).
Die Anfechtungserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung und grundsätzlich dem Vertragspartner gegenüber zu erklären (§ 143 BGB). Wenn der Erblasser eine zugunsten eines Dritten getroffene Verfügung anfechten will, nachdem der Vertragspartner gestorben ist, so muss er die Anfechtung gegenüber dem Nachlassgericht des verstorbenen Erblassers erklären (§ 2281 Abs. 2 Satz 1 BGB). Das Nachlassgericht soll die Erklärung dem Dritten mitteilen (§ 2281 Abs. 2 Satz 2 BGB). Handelt es sich bei der angefochtenen Verfügung um ein Vermächtnis, ist die Erklärung gegenüber dem Beschwerten selbst abzugeben (§ 143 ABs. 4 BGB).
4.8.1.3 Form der Anfechtungserklärung
Die den Erbvertrag betreffende Anfechtungserklärung des Erblassers muss öffentlich beurkundet werden (§ 2282 Abs. 3 BGB).
4.8.1.4 Anfechtungsfrist
Der Erblasser kann den Erbvertrag nur binnen Jahresfrist anfechten (§ 2283 Abs. 1 BGB). Die Frist beginnt im Falle der Anfechtbarkeit wegen Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört, in den übrigen Fällen mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erblasser von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt (§ 2283 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Frist ist für jeden Erblasser gesondert zu bestimmen.
Die Verjährung ist gehemmt, solange der Erblasser innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist (§ 2283 Abs. 2 Satz 3, § 206 BGB). Ist der Erblasser geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt und ohne gesetzlichen Vertreter, so tritt die Verjährung nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig oder der Mangel der Vertretung behoben wird. Hat im Falle des § 2282 Abs. 2 BGB der gesetzliche Vertreter den Erbvertrag nicht rechtzeitig angefochten, so kann der Erblasser nach dem Wegfall der Geschäftsunfähigkeit selbst den Erbvertrag in gleicher Weise anfechten, wie wenn er ohne gesetzlichen Vertreter gewesen wäre (§ 2283 Abs. 3 BGB).
Da es sich um eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist handelt, muss die Ausfertigung der Anfechtungserklärung dem Erklärungsempfänger fristgerecht zugehen.