1 Leitsatz
Um dem Bestimmtheitsgrundsatz zu genügen, muss ein Erhaltungsbeschluss konkret bezeichnen, welche Maßnahmen auf welche Art und Weise durchgeführt werden und wie diese finanziert werden sollen. Die Kostenhöhe muss transparent im Beschluss erwähnt werden.
2 Normenkette
§ 19 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer fassen folgenden Beschluss: "Die Wohnungseigentümergemeinschaft … beschließt, dass die final in der Eigentümerversammlung vom 3.12.2021 festgelegten Sanierungsarbeiten unverzüglich durch die bereits beauftragten Fachfirmen umgesetzt werden sollen. Die Eigentümer der WE …, Frau … und Herr …, sollen bei Aufrechterhaltung ihrer Weigerungshaltung zur Zutrittsgewährung der Dachterrassenfläche durch einen Rechtsanwalt und Fachanwalt – namentlich Herrn Dr. … – aufgefordert werden, vor Beginn der Arbeiten, spätestens 2 Wochen nach Anzeige des Beginns der Arbeiten, die Beräumung der Dachfläche (Sondernutzungsfläche) zu veranlassen, Baufreiheit zu schaffen und diesen Zustand für die Dauer der Arbeiten aufrecht zu erhalten. Dabei soll der zu beauftragende Rechtsanwalt zunächst eine außergerichtliche Inverzugsetzung herbeiführen. Sollte nach entsprechendem Fristablauf die Weigerungshaltung aufrecht erhalten bleiben, kann der beauftragte Anwalt dann gerichtliche Schritte unverzüglich einleiten. Dazu beauftragt die WEG Herrn Rechtsanwalt … mit der Umsetzung der Rechte der WEG zu den honorarrechtlichen Bedingungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (Honorierung streitwertabhängig). Einen etwaigen Vergleichsabschluss darf Herr Rechtsanwalt … erst nach Freigabe durch die Verwaltung – diese wiederum in Abstimmung mit dem Beirat – final schließen. Sofern durch die Verzögerung der Arbeiten der Eigentümergemeinschaft unter Beachtung der bereits beauftragten Firmen Mehrkosten entstehen, sind diese ebenfalls im Rahmen des Verzugsschadens gegenüber den vorgenannten Eigentümern … und … geltend zu machen. Diese Anspruchserhebung ist von der gerichtlichen Geltendmachung im Rahmen der vorliegenden Beschlussfassung mit umfasst. Ebenfalls sollen die anwaltlichen Gebühren als Verzugsschaden gegenüber den vorgenannten Eigentümern mit geltend gemacht werden." Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! Bei der Beschlussfassung über Maßnahmen der Instandhaltung oder Instandsetzung müsse hinreichend bestimmt sein, welche konkreten Maßnahmen vorgenommen werden sollen. Ferner müssten die Grundfragen der Art und Weise der Durchführung, namentlich Umfang, Finanzierung, Ablauf sowie aufgrund welches Kostenvorschlags/Angebots die Maßnahme durchgeführt wird, geregelt werden. Hieran fehle es. Der Beschluss lasse nicht erkennen, aufgrund welches Angebots die Fachfirmen beauftragt worden seien. Es sei gänzlich unklar, welche Kosten durch die Erhaltungsmaßnahmen hervorgerufen werden und in welchem Umfang Verpflichtungen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch die auszuführenden Arbeiten entstünden.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, ob ein Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Im Mittelpunkt steht die Frage der Bestimmtheit, die vom AG verneint wird.
Bestimmtheit
Beschlüsse müssen bestimmt genug formuliert sein. Ein Beschluss ist "bestimmt", wenn er aus sich heraus genau, klar, eindeutig und widerspruchsfrei erkennen lässt, was gilt. Einem Beschluss fehlt hingegen Bestimmtheit, wenn er keine sinnvolle, in sich geschlossene und verständliche Regelung enthält. Damit ein Beschluss "bestimmt" ist, muss er so ausführlich wie nötig beschreiben, was gelten soll. Er muss – gegebenenfalls durch Verweisung – sein Regelungsproblem (den Anlass seiner Entstehung) vollständig lösen. Außerdem muss er so formuliert werden, dass er in sich nicht widersprüchlich ist. Lässt sich ein Gegenstand im Beschlusstext selbst nur schlecht oder gar nicht oder nur ungenau oder nur widersprüchlich darstellen, bedarf es für eine Herstellung von Bestimmtheit in der Regel einer Beschluss-Anlage. Ein Beschlusstext kann auch aus diesem Grund selbst kurz sein und zur näheren Erläuterung auf eine Anlage Bezug nehmen. Eine solche Beschluss-Anlage kann zum Beispiel ein Gutachten, ein Bild, eine Zeichnung, eine Baubeschreibung, ein Leistungsverzeichnis, ein Bauplan oder eine Skizze sein.
Einholung von Angeboten
Das AG meinte im Übrigen, der Beschluss widerspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung, weil es keine ausreichenden Angebote gegeben habe. Die Vergabe eines Auftrags für die Durchführung größerer Erhaltungsmaßnahmen widerspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn der Verwalter nicht in der Regel zumindest 3 Angebote eingeholt habe. Diese Vorgabe hätten die Wohnungseigentümer nicht beachtet. Sofern sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf LG Frankfurt a. M., Urteil v. 17.5.2018, 2-13 S 26/17, berufe, verfange dies nicht. Dort sei es um die Frage gegangen, ob es mehrerer Angebote bedürfe, wenn das Auftragsvolumen gering sei oder sich aus anderen Umständen Anhaltspunkte für die Wohnungseigentümer ergäben, dass sich das vorgelegte Angebot im Rahmen des Übl...