Leitsatz
Erledigt sich eine Hausgeldklage, weil der die Abrechnung genehmigende Beschluss rechtskräftig für ungültig erklärt wird, muss dennoch der Hausgeldschuldner die Kosten des Rechtsstreits tragen, wenn er nur die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Abrechnung gerügt hatte.
Normenkette
§ 91a ZPO; § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG
Das Problem
- Wohnungseigentümer B hält den Beschluss, der die Abrechnung 2013 genehmigt, für nicht ordnungsmäßig und erhebt gegen diesen eine Anfechtungsklage. Dies hindert die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht, die auf B entfallende Abrechnungsspitze aus der Abrechnung gegen ihn parallel einzuklagen.
- Das Amtsgericht erklärt den Genehmigungsbeschluss im Anfechtungsverfahren für ungültig. Der Hausgeldklage gibt es hingegen statt. Gegen beide Urteile wird Berufung eingelegt.
- Die gegen das im Anfechtungsverfahren ergangene Urteil eingelegte Berufung nimmt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dann allerdings wieder zurück. Mit Blick auf diese Zurücknahme erklären die Parteien die Hausgeldklage übereinstimmend für erledigt. Fraglich ist, wer die Kosten der Hausgeldklage zu tragen hat.
Die Entscheidung
Das Landgericht meint, die Kosten der Hausgeldklage seien gemäß § 91a ZPO dem Wohnungseigentümer B aufzuerlegen.
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§ 91a ZPO Kosten bei Erledigung der Hauptsache (1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist. … |
B's einzige Verteidigung – die Behauptung, der Genehmigungsbeschluss habe keiner ordnungsmäßigen Verwaltung entsprochen – hätte bis zur rechtskräftigen Ungültigerklärung des Genehmigungsbeschlusses keine Erfolgsaussichten gehabt. Gemäß § 23 Abs. 4 WEG habe eine Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung. Solange Beschlüsse nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden seien, seien sie gültig und begründeten daher auch eine Zahlungspflicht. B hätte – ohne das erledigende Ereignis – den Rechtsstreit verloren. Es entspreche daher billigem Ermessen, ihm die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Richtig sei zwar, dass die Gültigkeit des Genehmigungsbeschlusses mit seiner Ungültigkeitserklärung ex tunc (= von Anfang an) entfallen sei. Richtig sei ferner, dass B, soweit Beschlüsse vollzogen worden seien, gegebenenfalls einen Folgenbeseitigungsanspruch habe. Dieser Folgenbeseitigungsanspruch beziehe sich aber nicht auf die Kosten der Hausgeldklage. Die für diese Klage aufgewandten Kosten stellten keinen kausalen Schaden durch die Beschlussfassung dar.
Kommentar
- Auch wenn ein Beschluss nicht ordnungsmäßig ist, bindet er – wenn er nicht nichtig ist – sofort sämtliche an- und abwesenden Wohnungseigentümer (Hügel/Elzer, WEG, 1. Aufl. 2015, § 23 Rn. 100). Ist der Beschluss Grundlage einer Klage und ist er daneben im Wege der Anfechtungsklage angegriffen, ändert sich nichts.
- Die Bindungswirkung eines Beschlusses entfällt allerdings von Anfang an, wenn er für ungültig erklärt wird. In einer Hausgeldklage steht durch die rechtskräftige Ungültigkeitserklärung des entsprechenden Genehmigungsbeschlusses damit fest, dass sie von Anfang an unbegründet war. Dies müsste die Folge haben, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Kosten zu tragen hat: Ihre Klage war – wegen der Rückwirkung fiktiv – von Anfang an unbegründet. Wie bei der Aufrechnung sollte man indessen nicht auf die Wirkung der gerichtlichen Ungültigkeitserklärung, sondern auf ihren Zeitpunkt abstellen. Blickt man auf diesen, war eine Hausgeldklage (und jede andere Klage, die sich auf einen anderweitig angefochtenen Beschluss stützt) bis zu ihrer Erledigung (der Ungültigkeitserklärung des anderen Beschlusses) zulässig und begründet. Es entspricht also der Billigkeit, dass der Hausgeldschuldner die Kosten tragen muss. Sähe man es anders, müsste die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wegen des Kostenrisikos von Hausgeldklagen absehen, sofern der Genehmigungsbeschluss angefochten ist. Dann aber hätten Anfechtungsklagen doch eine – indessen nicht gewollte – aufschiebende Wirkung!
Was ist für den Verwalter wichtig?
Bis zu einer Klärung dieser Frage könnte man wegen des Kostenrisikos erwägen, eine Hausgeldklage erst zu führen, wenn feststeht, dass die Grundlage der Klage, ein Beschluss nach § 28 Abs. 5 WEG, wirksam ist und wirksam bleibt. Der vorsichtige Verwalter deutet die Problematik an und lässt sich anweisen, wie er verfahren soll.
Link zur Entscheidung
LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10.08.2015, 2-13 S 88/15