Leitsatz
Die EU-Komission hatte nach Ergehen des EuGH-Urteils vom 8.3.2001, C-276/98 (Kommission / Portugiesische Republik) erneut Klage gegen Portugal erhoben, dass der dort angewendete ermäßigte Steuersatz von 5 % auf die Maut für die Straßenbrücken über den Tejo gemeinschaftsrechtlich unzulässig sei.
In seinem Urteil vom 8.3.2001 hatte der EuGH die Klage der Kommission hinsichtlich der Steuermäßigung der Maut noch zurückgewiesen. Die Kommission habe - so der EuGH damals - nicht nachgewiesen, dass die Maut nicht von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts und nicht im Rahmen öffentlicher Gewalt erhoben werde, sondern im Rahmen eines steuerbaren Leistungsaustauschs.
In ihrer erneuten Klage hatte die Kommission geltend gemacht, die Straßengebühren könnten - würden sie von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts im Rahmen öffentlicher Gewalt erhoben - nicht einer Steuermäßigung unterliegen, weil es sich dann um nicht steuerbare Umsätze handele. Hilfsweise hatte die Kommission für den Fall, dass die Umsätze doch steuerbar seien, geltend gemacht, dass die Steuerermäßigung gegen die Artikel 12 und 28 der 6. EG-Richtlinie verstoße.
Entscheidung
Die von Portugal behauptete Unzulässigkeit der Klage, weil über den gleichen Sachverhalt bereits entscheiden worden sei, hat der EuGH zurückgewiesen. Nach seiner ständigen Rechtsprechung erstrecke sich die Rechtskraft lediglich auf diejenigen Tatsachen- und Rechtsfragen, die tatsächlich oder notwendigerweise Gegenstand einer früheren gerichtlichen Entscheidung waren (EuGH, Urteil vom 19.2.2.1991, C-281/89 (Kommission / Italien)). Portugal habe jedoch im Vorverfahren des jetzigen Rechtsstreits erstmals eingeräumt, dass die Straßengebühren von einem privaten Unternehmenskonsortium erhoben würden, was den Sachverhalt, über den der EuGH in der Sache C-276/98 entschieden habe, ändere.
Hinsichtlich der streitigen Steuerermäßigung hat der EuGH der Kommission ebenfalls Recht gegeben und Portugal verurteilt. Er bestätigt seine ständige Rechtsprechung, dass nach Artikel 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007: Artikel 13 MwStSystRL) Einrichtungen nur dann als Nichtsteuerpflichtige (Nichtunternehmer) behandelt werden können, wenn zwei Voraussetzungen nebeneinander erfüllt sind: Die Tätigkeiten müssen von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts und sie müssen im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt werden.
Die Tätigkeit einer Privatperson ist nicht schon allein deswegen nicht steuerbar, weil sie in der Vornahme von an sich der öffentlichen Gewalt vorbehaltenen Handlungen besteht. Werden der öffentlichen Gewalt vorbehaltene Handlungen einem unabhängigen Dritten übertragen oder werden diese von Einrichtungen, die nicht in die Organisation der öffentlichen Verwaltung eingegliedert sind, in Form einer unabhängigen wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeübt, kann die in Artikel 4 Abs. 5 Unterabsatz 1 der 6. EG-Richtlinie vorgesehene Behandlung als Nichtersteuerpflichtiger (Nichtunternehmer) nicht greifen. Im vorliegenden Fall stehe fest, dass dass das private Konsortium ein Dritter sei, der nicht in die öffentliche Verwaltung eingegliedert ist und in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu ihr steht.
Somit kann nach dem EuGH-Urteil ein Konsortium in Form einer Aktiengesellschaft, dem von der Verwaltung eines Mitgliedstaats im Rahmen einer Ausschreibung eine Konzession erteilt wird, eine Maut für die Benutzung von Straßenbrücken zu erheben, nicht als Einrichtung des öffentlichen Rechts angesehen werden.
Nach den weiteren Urteilsgründen durfte Portugal auch nicht den ermäßigten Steuersatz von 5 % anwenden. Im Hinblick auf die Übergangsregelung gemäß Artikel 28 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007: Artikel 118 Abs. 1 MwStSystRL) hätte der Steuersatz für die Brückenmaut mindestens 12 % betragen müssen. Außerdem habe Portugal die Übergangsregelung nicht mehr anwenden dürfen, da in der Zeit von März 1992 bis Dezember 1994 für die Maut bereits der Normalsteuersatz angewendet worden sei. Unter dieser Voraussetzung könne auf der Basis von Artikel 28 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie ein ermäßigter Steuersatz nicht erneut eingeführt werden.
Hinweis
Das Urteil hat für das deutsche Recht keine unmittelbare Bedeutung.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 12.06.2008, C-462/05