Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB
Kommentar
1. Die Belegung einer Eigentumswohnung mit Aussiedlern hält sich im zulässigen Rahmen, wenn in etwa ein Richtwert von 2 Personen je Zimmer eingehalten wird und für jede mind. 6 Jahre alte Person eine Wohnfläche von mind. 10 qm vorhanden ist.
2. Im vorliegenden Fall einer kleinen Wohnanlage (Zweifamilien-Wohnhaus) bestand die Wohnung des Antragsgegners im Obergeschoss aus 5 jeweils zwischen ca. 15 bis 21 qm großen Zimmern, Küche, Bad mit Toilette und einer zweiten Toilette. Der Eigentümer dieser Wohnung hatte sie an eine von ihm beherrschte GmbH verpachtet: diese GmbH wiederum vermietete die Wohnung an die örtlich zuständige Regierung mit dort ausgesprochener Berechtigung, in der Wohnung jeweils bis zu 14 Aussiedlern eines Familienverbandes für die Dauer eines Sprachkurses unterzubringen. In 1992 und 1993 waren unterschiedlich zwischen 8 und 15 Personen mit jeweils unterschiedlicher Nutzungsdauer untergebracht.
Das LG entschied auf Zulässigkeit der Belegung mit höchstens 10 Personen; dies wurde vom BayObLG mit modifizierter Begründung bestätigt.
3. Die Bezeichnung "Wohnung" in der Teilungserklärung sei als Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter anzusehen; in richtiger Auslegung nach allgemeinem Sprachgebrauch sei damit eine Nutzung ausgeschlossen, die mehr störe oder beeinträchtige, als eine Nutzung zu Wohnzwecken. Eine gewerbliche Nutzung als Pension (ständiger Wechsel der Bewohner in kürzester Frist) oder als Heim (Unterbringung einer Vielzahl von nicht familiär verbundenen Personen innerhalb einer Wohneinheit) gehe i.d.R. über eine Nutzung zu Wohnzwecken hinaus. Allerdings werde im vorliegenden Fall in der Wohnung keinGewerbe ausgeübt; die Regierung, die hier Aussiedler einweise, nehme Aufgaben der Daseinsvorsorge wahr. Auch die Verpachtung der Wohnung an die GmbH überschreite nicht den Rahmen einer allgemeinen Nutzung des Sondereigentums; insbesondere sei nicht ersichtlich, dass sich der Eigentümer dadurch eine berufsmäßige Erwerbsquelle verschaffen wolle. Nach § 13 Abs. 1 WEG, § 14 Nr. 4 WEG sei abzuwägen zwischen dem Recht des Eigentümers, mit seiner Wohnung nach Belieben zu verfahren, und der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die anderen Wohnungseigentümer. Zulässig sei nur ein Wohngebrauch, wie er unter Berücksichtigung der Beschaffenheit und Größe der Wohnungen noch im Rahmen des Üblichen liege. Gewisse Anhaltspunkte für die Belegungsdichte einer Wohnung könne die Richtzahl von höchstens 2 Einzelpersonen pro Zimmer geben (OLG Stuttgart, OLGZ 93, 184,187). Das gleiche gelte für die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zur Frage, wann eine Überbelegung und damit eine übermäßige Benutzung einer Wohnung anzunehmen sei (KG Berlin, OLGZ 93, 181, 183). Nach Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Beseitigung von Wohnungsmissständen dürften Wohnungen nur überlassen und benutzt werden, wenn für jede mind. 6 Jahre alte Person eine Wohnfläche von mind. 10 qm und für jede noch nicht 6 Jahre alte Person eine Wohnfläche von mind. 6 qm vorhanden ist. Im vorliegenden Fall bei 5 Wohnräumen und einer Wohnfläche von zusammen ca. 100 qm (ohne Nebenräume) durfte deshalb das LG zu Recht eine Belegung mit nicht mehr als 10 Personen aussprechen.
Die Zwangsmittelandrohung richtet sich nach § 890 Abs. 1 ZPO.
4. Jeweils hälftige Gerichtskostentragung im Rechtsbeschwerdeverfahren ohne außergerichtliche Kostenerstattung in allen Rechtszügen bei Geschäftswertansatz für die III. Instanz von 10.000 DM (in Übereinstimmung mit dem LG).
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 09.02.1994, 2Z BR 7/94)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer