Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 3 Abs. 2 WEG, § 5 Abs. 2 WEG, § 10 Abs. 1 und Abs. 2 WEG, § 22 Abs. 1 WEG
Kommentar
1. Eine Abänderung der Gemeinschaftsordnung des Inhalts, dass "bauliche Veränderungen an tragenden Wänden, die vom Gemeinschaftseigentum aus nicht einsehbar sind und die das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes nicht verändern bei Nachweis der bautechnischen Unbedenklichkeit mit Zustimmung des Verwalters zulässig sind", bedarf der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer, d.h. grundsätzlich der Form einer erneuten Vereinbarung. Der hier gefasste qualifizierte Mehrheitsbeschluss wurde auf Anfechtung hin in II. Instanz zu Recht für ungültig erklärt.
2. Eine Änderung in der Gemeinschaftsordnung getroffener Vereinbarungen kann also grundsätzlich nur durch neue Vereinbarung herbeigeführt werden; sieht wie hier die Gemeinschaftsordnung eine Änderung durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss vor, so ist dies zulässig, wenn sachliche Gründe vorliegen und einzelne Eigentümer gegenüber dem bisherigen Rechtszustand nicht unbillig benachteiligt werden (BayObLG, NJW-RR 90, 202 und BGHZ 95,137/142).
Eine unbillige Benachteiligung liegt in der Regel dann vor, wenn durch bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum in die Statik und Substanz des Gebäudes eingegriffen und ein Zustand geschaffen wird, der der Teilungserklärung widerspricht und die Möglichkeit intensiverer Nutzung von Sondereigentum eröffnet (BayObLG, NJW-RR 91, 1490; NJW-RR 92, 272; NJW-RR 95, 649; KG Berlin, Entscheidung v. 10. 1. 1990, Az.: 24 W 6746/89= NJW-RR 90, 334). Von solchen Benachteiligungen ist im vorliegenden Fall auszugehen. Bauliche Veränderungen an tragenden Wänden greifen in der Regel in die Statik, Substanz und Feuersicherheit des Gebäudes ein; auch wenn sie bautechnisch unbedenklich sein sollten, kann als Folge derartiger Maßnahmen die Feststellung, Zuordnung und Behebung von Schäden am Eigentum oder am Sondereigentum erschwert werden; derartige Beeinträchtigungen sind von den einzelnen Eigentümern grundsätzlich nicht hinzunehmen.
Weiterhin tritt durch die Zusammenlegung von zwei Wohnungen ein dem § 3 Abs. 2 WEG widersprechender Zustand ein, da die Abgeschlossenheit der Wohnungen, die Voraussetzung der Grundbucheintragung war, durch den Mauerdurchbruch verloren gehen würde (ebenso KG Berlin, NJW-RR 93, 909).
Ein weiterer, nicht im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG duldungspflichtiger Nachteil besteht darin, dass durch Zusammenlegung eine andere und intensivere Nutzung der vergrößerten Wohnung ermöglicht wird. Darauf, ob eine intensivere Nutzung derzeit auch beabsichtigt ist, kommt es nicht an. Bei Erwerb mussten Eigentümer weder nach dem Gesetz noch nach der Teilungserklärung damit rechnen, dass ohne ihre Zustimmung Anzahl und Größe der Wohnungen verändert werden konnten.
3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswertansatz für alle Instanzen von 20.000 DM.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 13.06.1996, 2Z BR 48/96)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Damit hat sich nunmehr die obergerichtliche Rechtsprechung der letzten Jahre zu dieser baulichen Änderungsproblematik offensichtlich so verfestigt, dass nachträgliche Zusammenlegungen von nebeneinander oder übereinander gelegenen Wohnungen aus rechtlichen Gründen heute so gut wie nicht mehr möglich sein dürften (eine Gegenstimme im Eigentümerkreis findet sich immer!), auch wenn für mich die tragenden Gründe dieser neuen Rechtsprechung, d.h. insbesondere der dann eintretende Widerspruch zur ursprünglichen Abgeschlossenheit, Schadensfeststellungs-Erschwernisse und "fiktive" anderweitige bzw. intensivere Nutzung vergrößerter Wohnungen, nach wie vor nicht überzeugend sind.
Hinsichtlich der Abgeschlossenheit verbleibt es m. E. auch nach tatsächlicher Tür- oder Innentreppen-Verbindung und einem Wand- oder Deckendurchbruch nach Grundbuchstand rechtlich bei zwei ursprünglich gebildeten Sondereigentumseinheiten, die ohne - i. d. R. mögliche - weitere neuerliche Abgeschlossenheit (als nunmehr 1 Einheit) nicht ihre rechtliche Selbstständigkeit verlieren und nach wie vor den bisherigen Abgeschlossenheitserfordernissen im Sinne der gesetzlichen Verfügung im Wesentlichen genügen dürften, insbesondere im Hinblick auf die Abgrenzung zum Gemeinschaftseigentum und jeweils weiterem Sondereigentum. Auch eine intensivere Nutzung dürfte gerade nach Zusammenlegung zweier benachbart gelegener Wohnungen üblicherweise nicht eintreten, eher das Gegenteil, sodass mich auch diese generelle Hypothese als Gegenargument nicht überzeugt. Des weiteren unterliegt die Nutzung eines jeden Wohnungseigentums grundsätzlich allein den gesetzlichen Schranken, u. a. denen landesgesetzlicher Wohnungsaufsichtsgesetze (Stichwort: "Überbelegung"). Andere Eigentümer können grundsätzlich auch keinen Einfluss auf eine Raumaufteilung bzw. Raunnutzung innerhalb eines bestimmten Sondereigentums nehmen, ebenso nicht auf die sich ohnehin häufig verändernde Zahl der Nutzer/Bewohner einer Wohnung. Zweck- und vereinbar...